012 - Die weiße Wölfin
Eklund.«
»Eklund!« rief ich. Er war einer meiner dämonischen Brüder. Seine Gestalt war mir sogleich bekannt vorgekommen, auch wenn ich ihn unter dem Wolfspelz nicht erkannt hatte. Immerhin wußte ich seit langem, daß Eklund ein Werwolf war.
»Wo kann ich ihn finden?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen«, meinte Trevor. »Aber vielleicht kann Ihnen Jennifer Jennings weiterhelfen.«
»Können Sie mir nicht mehr sagen, Trevor?« fragte ich drängend.
»Sie können mir glauben, Hunter, daß ich Ihnen alles sagen würde, was ich weiß, aber ich weiß leider nicht viel. Ich bin seit zehn Jahren aus der Schwarzen Familie ausgestoßen, und wir bekommen nur spärliche Nachrichten. Der letzte Freak, der zu uns gestoßen ist, kam vor drei Jahren.«
»Ist diese Jennings ein Mitglied der Schwarzen Familie?«
»Ja«, sagte Trevor. »Ich weiß es nicht hundertprozentig, aber es spricht alles dafür. Und sie soll ziemlich mächtig sein. Viel mächtiger als Eklund, der im Grunde ein recht unbedeutendes Mitglied ist. Seien Sie auf jeden Fall vorsichtig. Die Chancen stehen schlecht für Sie. Aber vielleicht kann ich Ihnen etwas mitgeben …«
Er trat an Youngs Schreibtisch, zog eine Lade auf und kramte darin herum. Kurz darauf richtete er sich auf und hielt mir einen Gegenstand hin. Es war eine schwarze Blume. Der Stengel war dünn, die Blätter waren fleischig, und die Blüte hatte die Form einer Wolfsschnauze.
»Das ist eine Wolfsblume«, sagte Trevor. »Man nennt sie auch Blume des Schwarzen Blutes. Dieser Blume werden Zauberkräfte zugeschrieben. Diese hier ist aus Ton. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob die Nachbildung ihnen nützen wird, aber vielleicht stoßen Sie auf eine echte Wolfsblume, die könnte Ihnen sehr helfen.«
Ich hatte schon von so einer Blume gehört, aber noch nie eine gesehen. Ihr wurde eine unglaubliche magische Kraft zugeschrieben.
»Gehen Sie jetzt, Hunter!« sagte er. »Wir werden uns wahrscheinlich nie mehr sehen, aber ich hoffe, daß es Ihnen gelingt, Eklund zu erledigen, und daß ich so lange lebe, um es zu erfahren.«
Ich steckte die Tonblume in die Tasche und fragte: »Sie haben nicht vielleicht zufällig Silberkugeln?«
Er schüttelte den Kopf und kniff die großen Augen zusammen. »Nein. Aber Young hatte einen …« Er kniete vor dem Schreibtisch nieder und riß die Laden auf. Nach kurzem Suchen stand er auf. »Hier! Das wird Ihnen vielleicht helfen.«
Er reichte mir einen silbernen Brieföffner, der fast zwanzig Zentimeter lang war. Der Griff war kunstvoll verziert.
»Es würde mich freuen, wenn Sie diesen Brieföffner Eklund ins Herz stoßen könnten«, sagte er.
Ich steckte den Gegenstand in die Innentasche meiner Jacke.
»Und jetzt gehen Sie, Hunter!«
Er öffnete die Tür, und ich trat in den dunklen Gang hinaus. Keiner der Krüppel war zu sehen.
»Ich werde mein Bestes tun, Trevor«, versprach ich.
»Ich drücke Ihnen die Daumen.«
Undurchdringliche Dunkelheit umgab mich. Langsam stieg ich die Stufen hinunter, tastete mich vorsichtig weiter und erreichte die Haustür. Die Riegel waren zurückgezogen und das Schloß nicht abgesperrt. Ich öffnete die Tür und trat auf die Straße. Grelles Sonnenlicht stach mir in die Augen. Ich schloß sie und blieb einige Sekunden lang stehen. Dann drückte ich die Tür langsam zu. Meine Augen schmerzten, daran war aber nicht nur das Sonnenlicht schuld, sondern es waren vor allem die Haftschalen, die meine Augen tränen ließen. Ich sah alles wie durch einen Schleier.
Wieder war ich auf mich allein gestellt. Ich wanderte ziellos durch die Straßen, kaufte ein Päckchen Zigaretten, trank in einem Pub ein Glas Bier und aß zwei Toasts. Nach achtzehn Uhr hielt ich ein Taxi an und kletterte hinein.
»Nach St. Albans«, sagte ich.
Der Fahrer blickte mich überrascht an. »Das sind über zwanzig Meilen, Sir«, sagte er. »Das wird einiges kosten.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Fahren Sie los!«
Ich hatte genügend Geld bei mir. Das Geld stammte von Cohen und dem O. I. Ich würde es ihnen einmal zurückgeben – falls ich am Leben blieb.
Das Taxi kam quälend langsam vorwärts. Wir fuhren die Oxford Street entlang, und der Fahrer wandte sich nach Norden in Richtung Nationalstraße 5. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis wir endlich die Nationalstraße erreichten. Ich lehnte mich bequem zurück und hing meinen Gedanken nach. Es war schon Jahre her, seit ich das letzte Mal in St. Albans gewesen war. Es war eine recht interessante
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