0122 - Der Knochenthron
leer.
Bill hob die Schultern. »Nichts«, sagte er. »Keine Spur von unserem Freund. Der Erdboden scheint ihn verschluckt zu haben.«
»Nicht der Erdboden, sondern er.« Ich deutete auf den dunkelroten Vorhang.
Bill nickte. Seine rechte Hand verschwand unter der Jacke. Dort steckte sein Beuterevolver. Er zog ihn und ich die Beretta.
Ich krallte meine Finger um eine Vorhangfalte, holte noch einmal tief Luft und zog den Stoff mit einem gewaltigen Ruck auseinander.
Wir sahen Quincy.
Er lag ausgestreckt auf einem roten Diwan, seine gebrochenen Augen starrten uns anklagend an. Seine Mörder hatten ihm die Kehle durchgeschnitten…
***
Es war ein schrecklicher Anblick. Bill und ich waren gleichermaßen geschockt.
Dieses Ende hatte Quincy nicht verdient.
Der Raum, in dem wir standen, war anders als die normalen Opiumhöhlen. Nicht so primitiv eingerichtet, sondern prunkvoller. Da lagen wertvolle Teppiche, und an den Wänden sahen wir Tapeten aus chinesischer Seide.
Es gab Sitzkissen, kleine Tische und allerlei Kunstgegenstände, die von der Mythologie des alten China zeugten.
Ein wahres Paradies für Sammler.
Aber wir suchten einen anderen.
Quincys Mörder!
Wo steckte er? Quincy war noch nicht lange tot, und entgegengekommen war uns auch niemand. Folglich mußte dieser Raum hier noch einen anderen Ausgang haben.
Bill ging nach rechts, während ich mich zur anderen Seite wandte. Wir untersuchten die Wände, tasteten sie ab, doch wir brauchten erst gar nicht anzufangen, denn plötzlich geschah etwas, womit niemand von uns gerechnet hatte.
Der Raum drehte sich.
Das ging so schnell, daß wir Mühe hatten, unser Gleichgewicht zu behalten. Ich wurde gegen die Wand geworfen, stützte mich ab und kreiselte sofort herum.
Bill Conolly hatte ebenfalls mit dem Gleichgewicht zu kämpfen.
Er wollte wie auch ich zurück, doch da war kein Ausgang mehr in unserem Rücken.
Nur dieses eine Zimmer.
Dafür sahen wir vor uns etwas.
Fünf Männer!
Und jeder von ihnen trug eine schwarze Maske vor dem Gesicht!
***
Trotz unserer Waffen hatten wir nicht die Spur einer Chance, denn die Kerle hielten ihre Revolver in den Händen, und die Mündungen wiesen unmißverständlich auf mich und Bill Conolly.
»Fallen lassen!« lautete der Befehl.
Unsere Schießeisen polterten zu Boden.
Die Maskierten nickten zufrieden. Mir aber kroch eine Gänsehaut über den Rücken, denn ich brauchte nur an Quincy zu denken, um zu wissen, welches Schicksal uns unter Umständen bevorstand.
Wir befanden uns in einem Raum, in dem zwar Licht brannte, aber trotzdem wenig zu erkennen war. Nur im Hintergrund erkannten wir einige runde, helle Bälle, deren Ausläufer auch die Maskierten streiften. Da sich der Raum mit uns gedreht hatte, befand sich der Diwan mit dem Toten noch immer hinter uns. Nur waren die Lichter erloschen.
Aus der Mitte trat einer der Maskierten einen Schritt vor. »Wer seid ihr?« fragte er.
»Harmlose Touristen«, erwiderte Bill. »Wir wollten uns nur die Stadt anschauen und…«
»Halts Maul, du Lügner! Seit wann laufen Touristen mit Waffen durch die Gegend?«
»Die Zeiten sind unruhig«, erwiderte ich an Bills Stelle. »Amerika ist kein sicheres Land mehr.«
»Ihr seid Engländer?«
»Ja.«
»Und euer Beruf?«
Jetzt antwortete Bill. »Wir sind Reporter einer bekannten Wochenzeitschrift.«
»Der Name?«
»Weekend Mirror!«
Bill hatte den Namen einer Zeitung genannt, die es tatsächlich gab. Hin und wieder hatte er auch für dieses Blatt einen Bericht geschrieben.
»Okay«, sagte der Maskierte und wies auf mich. »Was ist mit Ihnen?«
»Ich bin ein Kollege.«
»Der auch hier herumschnüffelt.«
»So können Sie das nicht nennen«, erwiderte ich. »Wir schreiben eine Serie über die bekanntesten Städte der Welt. Und da gehört San Franzisko nun einmal dazu.«
Der Kerl lachte. »Über die bekanntesten Städte. Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Ist Tulsa eigentlich auch eine so bekannte Weltstadt, daß Sie darüber schreiben wollen?«
Die letzte Frage stellte er voller Hohn und Spott. Damit bewies er gleichzeitig, daß er Bescheid wußte. Es war ja auch klar, denn sie hatten Bill bei seiner Exkursion in diese Geisterstadt erwischt.
Verdammt auch, unser Lügengebäude brach langsam aber sicher in sich zusammen.
»Nein!« zischte der Maskierte. »Ihr könnt uns nicht für dumm verkaufen. Ihr seid miese und dreckige Schnüffler, mehr nicht. Und es gibt nur eins für uns. Ihr werdet sterben. Jetzt und
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