0122 - Der Knochenthron
hier unten Temperaturen, die wir als kalt empfanden. Hinzu kam noch unsere nasse Kleidung. Eine Erkältung war uns sicher.
Zum Glück brannten an der Decke einige Lampen. Ihr Licht zuckte als unruhiger Widerschein über die sich bewegende Wasserfläche. Der Gestank wurde immer unerträglicher. Daran konnte sich meine Nase nicht gewöhnen. Ich dachte gar nicht darüber nach, wieviel Wasser ich vielleicht geschluckt haben könnte, dann wäre es mir im Nachhinein noch schlecht geworden.
Wir schritten durch einen Hauptkanal. Das war an der Breite deutlich zu sehen. Zudem strömten von links als auch rechts kleinere Wasserstrudel in den Kanal ein.
Dann tat sich links von uns eine Nische im nassen Mauerwerk auf. Ich schaute hinein und war angenehm überrascht.
Nicht nur eine Nische sah ich, sondern auch eine Leiter, die in die Höhe führte.
»Wer sagt’s denn«, grinste Bill und rieb sich die Hände.
Ich hatte bereits die erste Sprosse umklammert, zog daran, und nasser Rost rieselte mir entgegen.
Trotzdem mußte ich es wagen.
Bill wollte noch warten. Er war nicht sicher, ob die Leiter die Belastung von zwei Personen aushielt.
Ich ging also vor, Stufe für Stufe, kletterte ich hoch. Schließlich schimmerte Licht über mir durch ein paar Löcher.
Das mußte der Gully sein.
Noch drei Sprossen höher, dann hatte ich es geschafft. »Bin oben«, rief ich Bill zu.
»Schaffst du den Gully allein?« fragte er.
»Ich hoffe es!«
Den Kopf zog ich ein und machte einen Buckel. Mit den Schulterblättern stemmte ich mich gegen die Innenseite des Deckel, setzte all meine Kraft ein und drückte.
Der verdammte Gullydeckel war wohl jahrelang nicht mehr bewegt worden, er löste sich kaum aus der Fassung. Es knirschte und rieb, Staub rieselte mir in den Nacken, aber ich schaffte es.
Der Deckel glitt höher.
Dann kippte er um.
Stein prallte auf Stein, ich roch den aufgewirbelten Staub und schraubte mich an die Oberfläche.
Ich war zum Glück nicht auf einer befahrenen Straße gelandet, sondern in einer schmalen Einfahrt. Einige Kinder mit schrägen Mandelaugen hockten an der Mauer und starrten mich an. Als ich lachte, sprangen sie auf und rannten davon.
Wahrscheinlich sah ich wie ein Geist aus, der in irgendeine Kloake gefallen war.
Eine Minute später stand Bill neben mir. Wir atmeten erst ein paarmal tief durch.
Die Luft tat gut und jetzt auch die Sonne. Gemeinsam schafften wir den Gullydeckel wieder auf die Öffnung und verließen die Einfahrt.
Sie mündete auf eine befahrene Straße.
Bill schaute sich um. Dann deutete er aufgeregt nach links. »Da hinten ist ja die Kneipe.«
Mein Freund hatte recht. Zudem war das Lokal nicht zu übersehen, denn zwei Mannschaftswagen der Polizei standen schräg davor.
Wir hatten es entsprechend eilig, hinzukommen. Bill und ich bekamen gerade noch mit, wie einige »Gäste« in die Wagen verladen wurden.
Die meisten hatten wir in den Opiumzimmern gesehen. Aus den Fenstern quollen noch Rauchwolken, doch der Brand war bereits gelöscht. Er hatte sich nicht weiter ausgebreitet.
Ich wandte mich an einen kleiderschrankbreiten Cop. »Entschuldigen Sie, Sir, wer ist denn hier der Chef?«
Der Mann schaute Bill und mich erst einmal von oben bis unten an. Dann rümpfte er die Nase. »Wo kommt ihr denn her?«
»Aus der Unterwelt.« Ich grinste.
Der Polizist war ziemlich humorlos, denn er lief bereits rot an.
Bevor er etwas sagen konnte, sah ich einen älteren hochgewachsenen Mann aus dem Lokal kommen. Er trug einen braunen Anzug und wurde von zwei Reportern belagert.
»Captain, ein Wort nur.«
»Seien Sie mal Mensch, Sir.«
Der Captain blieb stehen und hob beide Arme. »Nein und abermals nein«, sagte er. »Ihr erfahrt nichts.«
»Haben Sie einen Tip bekommen?«
»Vielleicht.«
Bill und ich schlenderten auf den Captain zu. Ich sprach ihn an.
»Sir, haben Sie einen Moment Zeit?«
Der Captain strich durch sein blondes Haar. Er wollte schon absagen, doch als er in mein Gesicht sah und den ernsten Ausdruck erkannte, nickte er.
»Okay, was gibt es?«
Wir stellten uns erst einmal vor.
»Conolly?« sagte der Beamte plötzlich. »Vielleicht Bill Conolly?«
»Ja.« Mein Freund nickte.
»Haben Sie zufällig eine Frau, die mit Vornamen Sheila heißt?«
»Auch das, Sir!«
»Dann darf ich Sie zu dieser Frau beglückwünschen, Mr. Conolly.«
Wir schauten uns an, hoben die Schultern, machten dumme Gesichter und verstanden gar nichts mehr.
Der Captain grinste. Wir erfuhren auch seinen
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