0125 - Wir stutzten ihm die Krallen
Auge fallen mussten, wer nur einmal hinter den Wandschirm blickte.
»Jetzt werde ich langsam müde«, sagte er gähnend, als er alle seine Sachen zusammengesucht hatte. »Ich bin fertig, aber trinkt erst das bisschen noch aus. Auf ein paar Minuten kommt es doch nicht an. Wir können ebenso gut in der Stadt an einer Kreuzung oder bei einer Verkehrsstockung aufgehaiten worden sein.«
Die beiden bestätigten das. Johnny ließ sich ihnen gegenüber auf einen Stuhl fallen. Wie spielerisch griff er nach einem Block, den er vorher unauffällig bereitgelegt hatte, zu einem sehr harten Zeichenstift.
»Ich male euch ein Bild zum Andenken«, sagte er lächelnd. »Weil ihr so nette Burschen seid!«
Vom Whisky und von Johnnys Freundlichkeit waren die beiden stupiden Burschen so gerührt, dass sie lautstark versicherten, Johnny gehöre ab sofort zu ihren ganz besonderen Freunden.
Mit geschickten Strichen warf Johnny das Konterfei der beiden Gangster aufs Papier. Er brauchte nicht viel Zeit dazu. Porträtzeichnen war immer seine Stärke gewesen. Dass aber der Stift so hart war, dass Johnny sehr stark aufdrücken musste, das konnten die Gangster nicht wissen. Auf dem zweiten Blatt des Blocks erscheinen alle Linien und Striche so tief eingedrückt, sodass man sie nur hätte nachzuziehen brauchen, um ein zweites Konterfei der Abgebildeten zu erhalten.
Mit einem kräftigen Ruck riss Johnny das oberste Blatt heraus und reichte es den beiden Gangstern. Beeindruckt sahen sie auf ihr Konterfei. Sie fanden es genial. Johnny nutzte die Zeit, in der sein Werk gebührend bewundert wurde, und legte den aufgeschlagenen Block auf den Tisch neben der Couch.
»So«, sagte er dann, »ich bin fertig. Von mir aus können wir gehen.«
»Die Pulle ist auch leer«, meinten die beiden Gangster. Sie stritten sich eine Weile darüber, wem die Zeichnung gehören sollte, bis Johnny zusagte, dass er bei Gelegenheit noch eine zweite von ihnen anfertigen würde, sodass jeder eine hätte. Damit gaben sie sich endlich zufrieden.
Über den Hinterausgang verließ man das Haus. Johnnys Malutensilien wurden verstaut, einer der Gangster setzte sich ans Steuer, und los ging die Fahrt. Als sich Johnny umsah, bemerkte er zwei Männer, die vor dem Vordereingang des Hauses standen, aber er kannte sie nicht. Er wusste ja nicht, dass das FBI eigens zu seinem persönlichen Schutz zwei G-men abgestellt hatte, die den Vordereingang bewachten, während Johnny durch den Hintereingang gekommen war und ging…
***
»Da stimmt etwas nicht!«, sagte ich nachdenklich zu Phil.
»Wieso?«
Ich trat über die Schwelle.
»Als wir vorhin hier waren, um nach Johnny zu suchen, war die Whiskyflasche noch halb voll. Jetzt ist sie leer. Außerdem stehen jetzt zwei leere Gläser davor, die aber benutzt worden sind. Vorhin standen die beiden Gläser nicht auf dem Tisch. Der Zeichenblock lag auch nicht daneben.«
»Dann müsste Johnny ja in der Zwischenzeit hier gewesen sein«, sagte Phil achselzuckend.
»Eben.«
»Vorn durch die Haustür ist er aber bestimmt nicht gekommen«, verteidigten sich unsere beiden Kollegen, die Johnnys Schutz übernehmen sollten. »Wir hätten ihn ja sehen müssen.«
»Vielleicht gibt es eine Hintertür?«, schlug Phil vor.
»Anders ist es auch nicht möglich«, sagte ich. »Wir hätten daran denken sollen. Er scheint Besuch gehabt zu haben. Die beiden Gläser deuten doch wohl daraufhin. Und wenn er hinten hereinkam, lässt sich vielleicht auch denken, was für einen Besuch er hatte.«
»Du meinst Damenbesuch?«, fragte Phil.
Ich zuckte die Achseln.
»Warum sollte er sonst das Haus durch den Hintereingang betreten? Vielleicht wollte er nicht vom Hausverwalter gesehen werden. Dafür lässt sich aber meines Erachtens nur der eine Grund denken, dass er jetzt, zu dieser vorgerückten Stunde, noch Damenbesuch mitbrachte.«
Phil lachte.
»Oder dass er gehörig mit der Miete in Rückstand geraten ist.«
»Das ist allerdings auch möglich«, stimmte ich zu. »Na, jedenfalls sieht es nicht so aus, als ob ihm bisher etwas Übles widerfahren wäre. Erschossene Männer pflegen keinen Whisky zu trinken. Komm, Phil, wir wollen endlich nach Hause. Heute Abend können wir nichts mehr unternehmen.«
Wir verabschiedeten uns von unseren beiden Kollegen. Erleichtert verließen wir das Haus. Johnny schien es doch wohl noch ganz gut zu gehen, wenn er noch Zeit und Lust für Schäferstündchen fand.
Johnny hatte unseren Scharfsinn glatt überschätzt. Wir stießen
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