0128 - Die Hexe aus dem Fluß
Lautlos ging der Verschmelzungsprozeß vor sich, und plötzlich fand sie sich in einem anderen Raum wieder. Düster und sparsam war er eingerichtet, wie ein Dienstbotenzimmer.
Nicole riß beide Augen weit auf.
Wo war sie?
Tageslicht drang durch das Fenster herein. Mit einem Sprung war sie dran und wollte es öffnen.
Der Griff war blockiert!
Als sie dennoch daran rüttelte, zuckte sie plötzlich wie von einem elektrischen Schlag getroffen zurück. Eine magische Sperre verhinderte das Öffnen des Fensters!
Die Tür - war ebenfalls durch Magie blockiert und ließ sich auch mit Gewalt nicht öffnen. Nicole war gefangen, innerhalb von Sekundenbruchteilen örtlich versetzt worden!
Jetzt erst fand sie Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Sie sah an sich herunter.
Eisiges Entsetzen kroch durch ihre Adern und ließ sie erschauern. Was ihr in den ersten Augenblicken des Geschehens nicht bewußt geworden war, weil sie gar keine Zeit hatte, sich damit zu beschäftigen, das sah sie jetzt und fühlte sich wie von einem Hammerschlag getroffen.
Sie befand sich in einem anderen Körper!
Nicht sie selbst war örtlich versetzt worden, sondern nur ihr Bewußtsein, ihre Seele - war von unermeßlichen Kräften in diesen fremden Körper geschleudert worden. Einen Körper, mit dem sie nichts gemein hatte!
Blaß war er und kühl. Und als sie die Glasscheibe eines Schrankes als Spiegel benutzte, starrte sie in fremde Gesichtszüge, umrahmt von wallendem schwarzem Haar. Daß dieser nackte, blasse Frauenkörper, in welchem sie sich jetzt befand, dabei auch noch von einer faszinierenden Schönheit war, machte ihr ihr Schicksal nicht leichter.
Yanaa, die Nebelhexe!
Wie ein Schock überkam sie das Wissen.
Yanaa, die Schlange, hatte mit ihr, mit Nicole Duval, einen Seelentausch vorgenommen! In Nicoles Körper steckte jetzt das Bewußtsein der Nebelhexe!
Kratzen und Klicken an der Tür!
Sie wirbelte herum.
Die magische Sperre am Türschloß war von einem Moment zum anderen unwirksam geworden. Lautlos schwang der Türflügel auf und gab den Blick auf einen Mann frei, der jetzt eintrat. Groß, schlank, dunkelhaarig und mit einer breitgeschlagenen Boxernase versehen, überzog ein triumphierendes Grinsen sein Gesicht, als er sah, wie Nicole instinktiv versuchte, ihre Blößen mit den Händen zu verdecken.
»Wie ich sehe, hat es geklappt!« sagte Mik Hansen siegesgewiß.
***
Professor Zamorra war noch ahnungslos, als er nach Verona fuhr, um sich dort die Patientin Tonia Manciano anzusehen. Nach kurzer Fahrt erreichte er das Krankenhaus.
Glianti, der Landarzt mit seinem Rostbomber, war ebenfalls da, wie Zamorra mit einem kurzen Blick über den Parkplatz erkannte. Offenbar hatte der Arzt auch schon Vorarbeit geleistet, weil dem Professor im Empfang eine korpulente Frau vom Typ Oberschwester entgegenstürmte.
»Professore Zamorra?«
»Si«, brummte der Parapsychologe.
»Prego, Signore, bitte folgen Sie mir!« wurde er aufgefordert und hatte dann hinter der Oberschwester herzumarschieren, die so aussah, als würde sie auch mit den widerspenstigsten Patienten sehr schnell fertig.
In der ersten Etage lernte er Chefarzt Franco Bonagiorno kennen. Sofort spürte er die leichte Abneigung, die ihm entgegenschlug. Der fast kahlköpfige Hüne musterte Zamorra forschend.
»Sie sind Parapsychologe?« vergewisserte er sich.
»Professor der Parapsychologie«, stellte Zamorra klar. »Zur Zeit an der Universität von Paris…«
Das machte auf Bonagiorno kaum Eindruck, mehr aber schon auf Gambiotti, der soeben ins Ärztezimmer kam, eine Zigarette nachlässig im Mundwinkel hängend. Bonagiorno übernahm die Vorstellung.
»Scusi, supremo, die Signora ist plötzlich wieder unruhig geworden. Sie wälzt sich wild hin und her und…«, berichtete er.
Zamorra brauchte nicht nachzufragen, von wem Gambiotti sprach. Bonagiornos Gesichtsausdruck sagte ihm alles. »Na, dann kommen Sie mal mit, Signore Professore«, forderte der Chefarzt ihn auf.
Zu dritt schritten sie über den Korridor zu Tonia Mancianos Einzelzimmer. Die beiden Ärzte fast lautlos; sie mußten weiche Sohlen unter ihren Schuhen tragen. Zamorras Schritte hallten laut über den Gang. Unwillkürlich sah der Parapsychologe seine beiden Begleiter an. Doch die reagierten nicht auf seinen Lärm.
Vor ihnen flog die Tür des Krankenzimmers auf, in dem die Seelenlose untergebracht worden war.
Zwei stämmige Pfleger waren dabei, sie zu bändigen, und konnten ihrer nicht Herr werden. Die Kranke
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