0129 - Der Zyklop aus der Hölle
vielmehr der kleine Hocker, den er geworfen hatte.
Er knallte dem fliehenden Jungen genau ins Kreuz. Die Wucht des Treffers warf Manfred Riegel nach vorn. Er prallte gegen die Tür, wo er sich seinen Ellbogen stieß und mit der Stirn vor das Holz tickte. Instinktiv schlug er nach der Klinke, verfehlte sie jedoch und rutschte dabei in die Knie.
Karl Merkens lachte böse. Drei Schritte brachten ihn neben den jungen Mann.
Und dann schlug er zu.
Die Hiebe hagelten nur so auf Manfred herab, der zu keiner Gegenwehr kam. Er rutschte am Türblatt herunter und fiel zu Boden, wo er sich zusammenkrümmte und mit angewinkelten Armen sein Gesicht zu schützen versuchte.
Dann hob Karl Merkens das rechte Bein. Er wollte Manfred buchstäblich zusammentreten.
Bis jetzt hatte seine Tochter nichts unternommen. Die Angst lähmte sie. Doch als sie sah, was mit ihrem Freund passieren sollte, warf sie sich gegen das Bein ihres Vaters und klammerte sich dort fest.
»Nein, das machst du nicht!« schrie sie. »Du wirst ihn nicht treten! Du nicht!«
»Laß los!«
Alceste schüttelte nur den Kopf. Sie griff noch fester zu. Ihr Vater schlug ihr ins Gesicht, doch Alceste überwand die Schmerzen und dachte nur an ihren Manfred. Sie biß sich vor Trotz auf die Lippen, daß sie Blut schmeckte.
»Du bist wahnsinnig«, keuchte der Alte. »Du bist wirklich verrückt. Was hast du an ihm gefressen, he?«
»Ich will bei ihm bleiben!«
Karl Merkens lachte auf. »Du und bei ihm bleiben. Hier bleibst du, hier bist du geboren, hier wirst du begraben.«
»Wie Mutter?« kreischte sie.
Plötzlich wurde das Gesicht des Mannes starr. »Was weißt du denn schon davon, welch eine Hexe deine Mutter war? Was weißt du? Gar nichts weißt du!«
»Aber du hast sie umgebracht!«
»Ich mußte es tun. Ich mußte es…« Er atmete keuchend, schaute auf seine Tochter und konnte ihrem Blick nicht standhalten. Er senkte die Augenlider.
»Was willst du tun?« fragte das Mädchen. »Willst du mich auch töten?«
»Du wirst mich verraten.«
»Nein, Vater. Ich sage nichts.« Alceste sah plötzlich ihre Chance.
»Ich sage wirklich nichts. Bitte, glaube mir. Kein Wort dringt über meine Lippen.«
»Dein Schwur nützt mir nichts«, erwiderte der große Mann düster.
»Aber willst du dich mit noch einem Mord belasten? Einem Mord an deinem eigenen Fleisch und Blut?« Alceste merkte, wie schlecht ihre Chancen standen, und ihre Stimme kippte fast über.
»Es geht nicht anders. Ich sitze schon zu tief drin. Er verlangt es.«
»Wer ist er?«
»Du wirst ihn kennenlernen.«
»Ich will es jetzt wissen!«
»Nein!« brüllte der Mann. »Nein und abermals nein. Hast du mich verstanden?«
»Ja, es ist gut, Vater, ich habe dich verstanden. Und ich wünsche, daß Gott dir verzeiht.«
Plötzlich begann Karl Merkens, gellend zu lachen. »Gott! Wer ist schon Gott? Der Teufel regiert.« Er machte eine weitausholende Armbewegung. »Hier regiert der Teufel. Glaubst du das nicht? Ich bin sein Partner!«
»Ja, Vater, ich glaube dir.« Alceste ließ den Mann los. Ihr Gesicht streifte dabei dicht am Stoff seines Hosenbeins entlang, und sie roch den fauligen Geruch. So, als wäre ihr Vater im Moor gewesen.
Merkens wandte sich ab, bückte sich und rüttelte Manfred Riegel an der Schulter.
»Los, hoch mit dir!«
Der Junge stöhnte. Die Schläge hatte er noch nicht verdaut. Jede Stelle an seinem Körper tat weh.
Das Gesicht des Mannes lief vor Wut noch röter an, als Manfred nicht sofort reagierte. Er wollte den Jungen treten, als Alceste eingriff.
»Warte, Vater, ich mache das schon.« Sie kniete sich hin und streichelte mit beiden Händen Manfreds Gesicht.
Der Student lächelte, auch wenn es in seinen Augen feucht schimmerte.
»Komm hoch, bitte!« flüsterte Alceste und reichte Manfred die Hand, die er gern ergriff und sich willig auf die Beine ziehen ließ.
Dann stand er.
Mit einem Knall sauste die Tür ins Schloß. Es war die Tür, hinter der die Leiche der Frau aufbewahrt wurde.
Wieder standen die beiden jungen Leute nebeneinander. Sie hielten sich fest, und obwohl die Angst auf ihren Gesichtern zu lesen war, fragte Manfred: »Was haben Sie mit uns vor?«
»Das wirst du schon sehen!« Er ging auf die beiden zu und blieb dicht vor ihnen stehen. Seine Tochter klammerte sich noch enger an Manfred, was den alten Merkens zu einem Grinsen veranlaßte. Er deutete auf die Luke.
»Weißt du, was darunterliegt?« wandte er sich an seine Tochter.
»Der Keller.«
»Richtig.
Weitere Kostenlose Bücher