0129 - Die Vampir-Lady
Ein rascher Hieb schleuderte den Mann zu Boden.
Boris Werzinsky hetzte in weiten Sprüngen davon.
Aus den Augen des Albinos jagten zwei grellrote, parallele Strahlenfinger, erfaßten den Agenten und setzen seine Kleidung in Brand. Innerhalb von Sekunden stand er in hellen Flammen. Ein zweiter Doppelstrahl tötete ihn.
Schreckensstarr hatte Pjotr Antonow dem Geschehen zugesehen. Jetzt lag er zitternd vor dem Albino, der sich drohend vor ihm aufbaute. Von der anderen Seite glitt Tanja Semjonowa heran. Ihre Fangzähne schimmerten rötlich in der hellen Mondnacht.
Pjotr Antonow wußte, daß er nichts mehr zu verlieren hatte außer seinem Leben. Von Kapitän Unjankln war keine Hilfe zu erwarten. Pjotr kannte die Erzählungen über Vampire nur zu gut. Und dieser Dicke mußte nicht nur ebenfalls ein Vampir sein - seine spitzen Zähne blitzten gerade auf sondern noch dazu ein mächtiger Dämon.
»Tanja«, flüsterte Pjotr hilflos. »Was haben sie mit dir gemacht, was?«
Er bereute es, die Silberkugeln aus seiner Pistole wieder entfernt zu haben. Aber sie hatten sich in Sicherheit gefühlt, nicht mehr mit einem Angriff gerechnet. Jetzt nicht mehr. Außerdem hatte Pjotr nie von einem Vampir gehört, der ein fahrendes Auto knacken konnte. Dieser Fehler rächte sich jetzt.
»Wo sind die Mikrofilme?« fragte Craa Dül drohend.
Boris starrte in seine roten Augen. Jeden Moment erwartete er, den flammenden Doppelstrahl daraus hervorbrechen zu sehen. Die Todesangst hielt ihn in ihren Klauen.
»Die… Mikrofilme…?«
»Du weißt genau, wovon ich spreche«, knurrte der Dicke. »Die Filme, die du Tanja abgenommen hast, bevor du sie liegen ließest. Du oder dein Genosse.«
»Er - er hat sie…« Verzweifelt deutete Pjotr auf das ausglühende Bündel auf der Straße. Erst jetzt kam ihm voll zu Bewußtsein, daß Boris tot war. »Ich… nein!« Er stöhnte auf.
»Er lügt«, vernahm er Tanjas melodische Stimme. Tanja, das sanfte Mädchen, das sich blitzschnell in eine Wildkatze verwandeln konnte, das anschmiegsam und zärtlich sein konnte, aber auch eine stahlharte Kämpferin, wenn es darauf ankam. Tanja, die jetzt seine erbittertste Feindin war. Die zu einer Vampirin geworden war…
»Wie willst du sterben?« fragte der Albino drohend. »Wie der im Wagen oder wie der da draußen?«
Pjotr keuchte. Er dachte daran, wie Unjankin unter dem Vampirbiß zusammengefahren war, daran, wie Boris plötzlich aufflammte.
»Ich - Unjankin hat die Filme. Im Wagen… Handschuhfach…« stöhnte er.
»Das stimmt.« bestätigte Tanja. »Diesmal spricht er die Wahrheit. Ich lese in seinen Gedanken.«
Der Agent erschauerte.
»Du wirst dennoch sterben«, stellte der Albino kühl fest. »Entscheide dich, auf welche Weise!«
Langsam erhob sich Pjotr. Er wollte sich herumwerfen, davonlaufen - doch der vernichtende Strahl würde ihn erfassen, verbrennen. Ein Angriff auf Craa Dül war ebenso aussichtlos. Der Albino, der so dick und unbeweglich aussah, ein wandelndes Fettauge, war ihm körperlich weit überlegen. Und er würde keine Gnade kennen.
Es gab keinen Ausweg mehr.
Der Agent wurde plötzlich ganz ruhig. Er schloß mit seinem Leben ab. Langsam wandte er sich zu Tanja Semjonowa um, die ihn abwartend ansah. Er ging auf sie zu, blieb vor ihr stehen.
»Küß mich«, sagte er und schloß seine Arme um sie. Ihr Körper fühlte sich kühl an.
Dann spürte er ihre Zähne an seiner Halsschlagader. Und während sie Blut und Leben aus ihm saugte und den magischen Keim auf ihn übertrug, übermannte ihn das gleiche Gefühl, daß Stunden vorher Pierre Lafgarenne gespürt hatte. Wie schön war doch das Sterben, das kein Sterben war, sondern eine Verdammung in alle Ewigkeit…
Währenddessen erreichte Craa Dül den GAZ 24, riß die Beifahrertür auf und griff in das Handschuhfach. Sofort fühlte er die beiden Filmrollen zwischen seinen Fingern. Er zerfetzte die Umhüllung. Die freiliegenden Filme wurden belichtet. Wenn sie das bevorstehende Inferno überstanden, würde man dennoch nur noch schwarze Streifen vorfinden.
Dann setzte er mit einem raschen Doppelstrahl den Wagen in Brand. Während die Flammen aufloderten, deutete er auf Pjotr, der in Tanjas Armen zusammengesunken war.
»Nummer vier«, erklärte er. »So brauche ich in dem Kleckerdorf nicht mehr weiterzusuchen. Wir nehmen ihn mit.«
Der Albino stellte den erforderlichen körperlichen Kontakt mit der Vampirin und ihrem Opfer her. Dann wiederholte sich das Phänomen der zeitlosen
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