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013 - Das Milliarden-Heer

013 - Das Milliarden-Heer

Titel: 013 - Das Milliarden-Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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konnte nicht einmal sein durchscheinendes Spiegelbild verschleiern. Wenn er sich selbst gegenüber nur ehrlich genug war, musste sich Hallstein eingestehen, dass er im wahrsten Sinne des Wortes todmüde war. Gerade in den letzten Tagen fand er kaum noch die Kraft, auch nur von diesem Stuhl aufzustehen.
    Der Rest des Gesichts im Fensterglas, eingerahmt von faserig langem und schlohweiß gewordenen Haar, zeugte gleichfalls von dieser umfassenden Erschöpfung. Die Wangen waren eingefallen, die Nase schien lang, schmal und spitz, jede Linie tief wie mit einem Messer in eine Maske aus Wachs geritzt.
    Eine Bewegung, die er aus den Augenwinkeln aufzufangen glaubte, lenkte Hallstein ab.
    Aber da war nichts. Nichts Sichtbares jedenfalls. Dafür hörte er ihre Geräusche, draußen auf der Treppe, die zu der Dachkammer herauf führte. Er hörte ihre Bewegungen, ein Knacken wie von steifen Gelenken und ein Zischeln, als tuschelten sie vor der Tür, wie unschlüssig, ob sie einfach eintreten sollten oder nicht.
    Hallstein erstarrte.
    Waren sie schließlich doch gekommen, um ihn zu holen? Verschmähten sie ihn nicht länger? Oder wollten sie ihn nun endlich aus der Nähe studieren?
    Er wandte sich seiner Schreibmaschine zu. Hinter ihm schwang die Tür auf.
    Er drehte sich nicht um. Seine Finger bewegten sich, Spinnenbeinen gleich, über die Tasten und brachten die Gedanken zu Papier, die ihm eben in den Sinn gekommen waren.
    Etwas legte sich ihm auf die Schulter, schwer und hart, wie ein Stück Eisen.
    Aus den Augenwinkeln gewahrte Hallstein etwas, das ihn beim ersten flüchtigen Hinsehen an eine Zange erinnerte.
    Und damit endeten die Aufzeichnungen von Professor Gunnar Hallstein.
    ***
    Allmählich verfluchte Aruula die Last auf ihren Schultern. Auch wenn es sich dabei um den Mann handelte, den sie liebte und dessentwegen sie die Sippe verlassen hatte. Aber jetzt, in diesem Moment wünschte sie ihn sonst wohin!
    Nur nicht auf ihre Schultern.
    Natürlich hätte Aruula ihren Gefährten nicht tragen müssen. Sie hätten stattdessen irgendwo in dieser Gegend lagern können, bis Maddrax aus der Bewusstlosigkeit erwachte. Etwas Ruhe hätte ihnen beiden gut getan nach der dreitägigen Verfolgungsjagd, die hinter ihnen lag. Doch Aruula hatte dem Frieden nicht getraut. Mochte das Insektenheer die Jagd auf ihre Menschenbeute auch dem Anschein nach aufgegeben haben, die kleinen Biester nicht mehr zu sehen musste noch lange nicht bedeuten, dass sie sich wirklich zurückgezogen hatten oder dass nicht andere ganz in der Nähe lauerten.
    Deshalb trachtete Aruula danach, in Bewegung zu bleiben. Und da Maddrax nicht aufwachen wollte, musste sie ihn notgedrungen tragen.
    So lange sie sich im Wasser befunden hatten, war das kein Problem gewesen.
    Aruula hatte den reglosen Gefährten nur stützen müssen, damit er nicht absoff.
    Den Transport hatte die erstaunlich starke Strömung übernommen.
    Dann aber mündete der Bach in eine sumpfige Landschaft, in der eine Vielzahl solcher Wasseradern versickerte. Es hatte die Barbarin einige Mühe gekostet, aus diesem Morast heraus zu kommen, zumal sie Maddrax' Gewicht buchstäblich am Hals hatte.
    Das Gelände stieg sacht, aber stetig an, und Aruula konnte nicht umhin, ab und zu wenigstens eine kurze Rast einzulegen. Sie mochte stark sein - in Sorbans Sippe war sie die kräftigste Frau gewesen -, aber einen bewusstlosen Mann stundenlang mit sich herumzuschleppen stellte selbst ihre Kondition auf eine harte Belastungsprobe.
    Die Wunde dicht über Maddrax' Stirn sah übel aus. Zwar hatte sie aufgehört zu bluten, aber in seiner Kopfhaut klaffte ein gut fingerbreiter Schnitt. Wären sie noch beim Stamm gewesen, hätte die Wunde genäht werden können. Aber hier draußen in der Wildnis fehlten der Barbarin Nähkralle und Darmfaden.
    Nun, Maddrax würde an der Verletzung nicht sterben. Und wenn sie Glück hatten, erreichten sie bald eine Ansiedlung, wo man ihn behandeln konnte.
    Das Gefühl, aus unzähligen winzigen Augen angestarrt zu werden, folgte Aruula beharrlich und war so spürbar wie der stete Wind, der ihr den dumpfen Modergeruch des hinter ihr liegenden Sumpflandes nachblies wie feuchten Atem. Trotzdem fiel es Aruula nicht allzu schwer, dieses Gefühl als Streich ihrer überreizten Sinne zu betrachten. Wie auch den Eindruck, dass sich im Dunkeln um sie herum etwas bewegte…
    Der höchste Punkt des flachen Hanges, den Aruula hochstieg, zeichnete sich ein Stück weiter als dunkler Wall gegen den nur

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