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013 - Der Mann, der alles wußte

013 - Der Mann, der alles wußte

Titel: 013 - Der Mann, der alles wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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von der reichen Goldader Mitteilung gemacht habe. Er wundert sich, daß ich ihm niemals Vollmacht gegeben hätte, neue Bohrungen vorzunehmen. Ich kann mich nun aber durchaus nicht darauf besinnen, daß er mir etwas Derartiges geschrieben hat. So, nun habe ich dir die Lage auseinandergesetzt.«
    Er legte den Brief in das Fach zurück und warf es zu.
    »Wenn ich dich recht verstehe, soll ich also gleichsam auf eine bessere Gelegenheit warten?«
    Er nickte.
    »Ich möchte nicht haben, daß du vor Ablauf von vierzehn Tagen deine Entscheidung triffst und dich eventuell verheiratest.«
    Als sich May Nuttall an diesem Abend zur Ruhe niederlegte, wußte sie nicht, was sie von all diesen Eröffnungen halten sollte, und fühlte sich sehr unglücklich. Entsprach die Geschichte, die John Minute von ihrem Vater erzählt hatte, den Tatsachen, oder hatte er sie nur erfunden, um Franks Pläne zu durchkreuzen? Sie dachte lebhaft an Frank und an seine dringende Bitte. Er hatte sie so ernst gebeten, und sie glaubte ihm. Wenn er sie doch nur ins Vertrauen gezogen hätte! Aber als sie weiter darüber nachgrübelte, kam ihr zum Bewußtsein, daß ihr dieses Vertrauen doch unerwünscht gewesen wäre, und sie wunderte sich über sich selbst. Sie wollte Frank zu gerne helfen, aber nicht die Romantik der Situation beeinflußte ihre Entscheidung, sondern mehr das Gefühl mütterlicher Zuneigung und Sorge, das viele Frauen zu einem Opfer treibt. Aber brachte sie denn wirklich ein Opfer?
    Sie konnte keinen Schlaf finden. Unruhig warf sie sich hin und her und sann über das schwere Problem nach.
    Als der Morgen graute, erhob sie sich, warf ihren Morgenrock über und trat ans Fenster. Es regnete nicht mehr, die Wolkendecke war zerrissen. Sie hatte Hunger, und nach kurzem Zögern öffnete sie die Tür und ging die breite Treppe zur Halle hinunter.
    Um zur Küche zu kommen, mußte sie am Zimmer ihres Onkels vorbeigehen, und sie bemerkte, daß die Tür nur angelehnt war. Sie dachte, daß er vielleicht vergessen habe, das Licht auszuschalten, und legte schon die Hand auf die Klinke, um nachzusehen, als sie plötzlich eine Stimme hörte und zurückfuhr. Es war Jasper Cole, der sprach.
    »Ich habe die Bücher mit dem zweiten Buchhalter Mackenson sehr genau geprüft, und es scheint kein Zweifel mehr zu bestehen.«
    »Glauben Sie etwa -«, fragte John Minute.
    »Ich bin meiner Sache ganz sicher«, entgegnete Jasper in seinem gleichmäßigen, ruhigen Ton. »Der Betrug ist von Frank ausgeführt worden. Ihm waren die Bücher doch zugänglich, und nur er hat Rex Holland gesehen. Er war der einzige Beamte der Bank, der die Eintragungen fälschen konnte, ohne sich zu verraten.«
    May erschrak so sehr, daß sie sich an dem Türrahmen festhalten mußte, um nicht umzusinken.
    »Ich bin fast geneigt, mich Ihrer Ansicht anzuschließen«, erwiderte John Minute langsam. »Es ist schrecklich, daß Frank auch ein Fälscher sein sollte wie sein Vater - entsetzlich!«
    »Ja, es ist entsetzlich, aber es stimmt.«
    May verlor die Fassung und riß die Tür auf.
    »Das ist eine Lüge!« rief sie wütend. »Eine ungeheure Lüge! Und Sie wissen das, Jasper!«
    Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und warf die Tür wieder zu.

9
    Frank Merril trat leichten Herzens durch die Schwingtür in das Bankbüro, und sein Gesicht strahlte, als er direkt zu seinem Chef ging.
    »Darf ich Sie bitten, mich heute nachmittag für einige Stunden zu beurlauben? Ich habe etwas zu besorgen.«
    Brandon sah müde von seiner Arbeit auf. In den letzten Nächten hatte er schlecht geschlafen, denn der Bankbetrug und die Kontrolle aller Bücher lasteten schwer auf ihm. Er nickte nur. Frank ging zu seinem Schreibtisch und summte vergnügt eine Melodie vor sich hin.
    Er hatte auch allen Grund, sich glücklich zu fühlen, denn er hatte eine Botschaft in der Tasche, die es ihm möglich machte, May zu heiraten. Am Morgen hatte er beim Frühstück ein Telegramm von ihr erhalten, das ihn in größtes Erstaunen versetzte. Die Nachricht enthielt nur die Worte:
    ›Heirate dich heute. May,‹
    Er konnte natürlich nicht ahnen, welche ungewöhnlichen Umstände sie zu diesem Entschluß veranlaßt hatten, aber er war sehr zufrieden mit dieser Wendung der Dinge.
    Kurz nach zwölf würde sie in London ankommen. Er wollte sie abholen und mit ihr speisen. Dann würde sie ihm ja wahrscheinlich alles ausführlich erzählen. Unter seinen Bekannten befand sich ein Geistlicher, der in einer Vorstadt von London amtierte.

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