0130 - Der Unheimliche aus Lemuria
erwiderte er dann aber. »Ich habe nie einen Dämon gesehen, in dem eine Verbindung von organischer und anorganischer Materie so hervorragend funktioniert. Die Dämonen sind entweder Fleisch, Geist oder Stein. Aber eine solche Verbindung - nein, Mr. Odinsson. Das ist unmöglich. Dieser Mann hier ist einmal ein Mensch gewesen, ist zu einem Monster gemacht worden. Und wehe dem Monstermacher, wenn ich ihn zu fassen bekomme…«
Unwillkürlich ballte der Professor die Hände. Er stand noch im Bann des Ungeheuerlichen, das sie alle gesehen hatten. Etwas Grauenhaftes war mit diesem Menschen geschehen, hatte ihn von Grund auf verändert. Zamorra entsann sich der Vision jener Unterseestadt. Jene schwarzgekleideten Menschen, die sich ohne zu atmen völlig ungehindert im Wasser bewegten, mit den gewaltigen Druckverhältnissen in der Tiefsee spielend fertig wurden… Der ganze Organismus mußte anderen, dämonischen Gesetzen gehorchen, war anders strukturiert, funktionierte nach anderen Regeln. Zamorra hätte sich nicht gewundert, wenn jemand ihm bewiesen hätte, daß diese Kristallmenschen in giftigen Atmosphären zu leben vermochten, vielleicht sogar im absoluten Vakuum des Weltraums.
Und schlagartig begriff er die unglaubliche, unheimliche Konsequenz dessen, was er hier sah und erlebte.
Jemand machte aus Menschen Kämpfer - nahezu unbesiegbare, stahlharte Kämpfer. Wesen, die mit dem Überdruck in Tausenden von Metern Tiefe unter Wasser fertig wurden, waren superstark, waren allein mit Körperkraft nicht aufzuhalten. Sie waren unabhängig von der Atemluft, hatten einen veränderten Stoffwechsel - Giftgas würde ihnen nichts anhaben können. Und - sie besaßen die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, eine Fähigkeit, die erst mit dem Tod erlosch.
Eine gespenstische, unheimliche Armee des Grauens, mit der man die Welt zu erobern vermochte…
Plötzlich kam dem Professor ein Gedanke. Hatte nicht Commander Corwell auf den Kopf des Unsichtbaren geschossen, ohne daß die Kugel ihm etwas anzuhaben vermochte?
»Bitte, geben Sie mir Ihre Dienstwaffe«, sagte er und sah den Commander auffordernd an. Corwell zögerte.
»Ich möchte ein wenig experimentieren«, fuhr der Parapsychologe fort. Corwell sah Odinsson fragend an. Erst als der Agent nickte, händigte er dem Franzosen seine Pistole aus.
Zamorra wog sie in der Hand, kontrollierte sie kurz. Acht Schuß im Magazin, die neunte Kugel im Lauf.
Der Professor nahm die Waffe in beide Hände, hielt sie an die Schläfe des Toten und betätigte den Abzug. Der Schuß krachte aus dem Lauf.
»He, was machen Sie denn da?« fragte Corwell bestürzt. Zamorra behielt die entsicherte Pistole in der Hand und deutete auf die Stelle, in die er aus zwei Zentimeter Abstand geschossen hatte.
Ein Streuring von Pulverrückständen war deutlich an der Schläfe zu erkennen. Das war alles. Ein Einschußloch war nicht zu sehen.
»Die Kugel«, erklärte Zamorra, »steckt im Bett.« Er hob mit einem Ruck den Kopf des Toten an. Unter ihm befand sich das Einschußloch im Laken, setzte sich als Kanal im Plastik des OP-Tisches fort.
Die Tür wurde aufgerissen. Eine Schwester trat aufgeregt ein. »Was ist los, wer schießt hier?« fragte sie barsch.
»Ich«, erwiderte Zamorra trocken. Er fühlte sich plötzlich völlig ruhig und sicher. Abermals legte er auf den Toten an und jagte nacheinander sieben Kugeln aus nächster Distanz durch den Körper. Jedesmal bildete sich nur der Brandring der Pulverrückstände, eine Wunde war nicht erkennbar.
Die Kugeln waren glatt durch den Toten gegangen, ohne eine Spur zu hinterlassen!
»Unfaßbar«, murmelte Perkins. Er wollte nicht glauben, was er sah.
»Und jetzt«, erklärte Zamorra ruhig und bemerkte aus den Augenwinkeln, daß zwei Ärzte eingetreten waren, »passen Sie auf. Commander, Sie haben mit Ihrer Kugel das Herz des Toten mit einem Streifschuß angerissen, was ihn hauptsächlich innerlich verbluten ließ. Achten Sie auf das, was jetzt passiert.«
Er jagte die letzte Kugel ins Herz des Kristallmenschen.
»Steckschuß«, sagte er trocken und warf dem fassungslosen Commander die leergeschossene Waffe zu. Corwell fing sie reaktionsschnell auf. »Sie sollten bei Gelegenheit nachladen lassen«, empfahl der Professor.
Die Kugel hatte ein häßliches Einschußloch hinterlassen. Als Zamorra den Körper des Toten hochwuchtete, stellten sie gemeinsam fest, daß die Kugel im Körper geblieben war.
»Die Kugel sitzt im Herzen«, dozierte Zamorra wie im
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