0132 - Der Schwarze Graf
unterbrach ihn Nicole und versuchte dabei, den Tonfall Zamorras nachzuahmen. Dieser Versuch ging so sehr daneben, daß Zamorra laut auflachte.
»Muß wohl doch erst noch in den Stimmbruch kommen«, lächelte Nicole.
»Bloß nicht! Deine Stimme gefällt mir besser als meine!«
»Mir auch!«
»Unverschämtheit!«
»Tyrann!«
»Emanze!«
Es folgte ein kurzer Kuß bei Tempo 120…
»Chef, nicht vergessen - da vorn spielt die Musik!« Nicole wies auf das graue Band der Straße.
»Stimmt«, erwiderte Zamorra ernst, »und zwar zu einem höllischen Tänzchen. Denn - um deine Frage zu beantworten - d'Alay war alles andere als erfolglos. Er muß über unglaubliche magische Kräfte verfügen. Wenn ich bloß wüßte, woraus oder worüber er sie bezieht und wie ihm beizukommen ist. Aber immerhin weiß ich, wo ich es erfahren kann - hoffentlich! Man stelle sich vor, wozu er imstande sein muß, wenn es ihm sogar gelingt, die Kräfte meines Amuletts umzulenken, praktisch gegen mich zu richten. Oder zumindest zu neutralisieren.«
Der Parapsychologe warf einen raschen Blick auf den Verband, der seine Brandwunde bedeckte. Ihr Heilungsprozeß hatte gottlob so gute Fortschritte gemacht, das sie keinerlei Behinderung mehr darstellte.
»Andererseits stellt sich dann die Frage, wieso mein Amulett mich vor der Lawine warnen konnte. Warum hat er es in diesem Moment nicht geschafft, es lahmzulegen, wo ihm das in Borlezzo offensichtlich doch so leicht gefallen ist?«
»Vielleicht hat es ihn zuviel… Energie gekostet?«
»Mag schon sein. Aber daran glaube ich nicht so recht. Ich glaube vielmehr, irgend jemand hat uns geholfen. Und damit auch das Leben gerettet.«
Nicole wurde von einer Sekunde zur anderen blaß, als sie die ganze Tragweite dessen begriff, was ihr Zamorra eben eröffnet hatte.
»Und wenn dieser Irgendjemand uns nun im Stich läßt?«, stellte sie die logische Frage.
»Weiß ich auch nicht«, gab Zamorra offen zu, »aber vielleicht hat auch nur mein Amulett ungeahnte Kräfte entwickelt.«
»Zamorra!«
»Ja?«
»Ich… ich mache mir solche Sorgen. Um dich! Ich habe gerade diesmal furchtbare Angst. Frag mich nicht, warum.«
Zamorra strich ihr zärtlich durch das lange, blonde Haar, das in der Sonne wunderschön glänzte.
»Wir haben noch einen Trumpf im Ärmel, Nicole. So seltsam es klingen mag - der Schlüssel zur Lösung des Rätsels liegt in der Kirchenchronik von Borlezzo.«
»Bist du sicher?«
»Ich weiß es genau, kann mir aber nicht erklären, warum. Jedenfalls werden wir uns dort Klarheit darüber verschaffen können, woher d'Alay seine ungeheure Macht nimmt. Dann haben wir den Angriffspunkt, den wir brauchen.«
Urplötzlich schlingerte der Alfa in einen dichten Vorhang schwerer, warmer Regentropfen hinein, und er wurde von Sturmböen geschüttelt.
Die Sonne verfinsterte sich beängstigend schnell. Pechschwarze Wolken schossen über den östlich des Tales liegenden Bergrücken herüber.
»Das kann ja heiter werden!«
Zamorra blickte aus dem Seitenfenster auf die graue, triste Regenlandschaft. Das ganze Etschtal war in tiefe Dunkelheit gehüllt, während die Berge im Westen noch in hellem Sonnenschein lagen. Dann und wann erklang aus der Ferne dumpfes Donnergrollen.
»Naja, vielleicht gibt das der ganzen Sache den passenden Rahmen.« Nicole lächelte gequält.
»Stimmt genau, Cherie!« erwiderte Zamorra lachend. »Obwohl unsere nächste Zukunft gar nicht mehr so dunkel aussieht wie die Wolken dort oben.«
»Wer's glaubt!«
Er blickte Nicole kurz an. So gut es ging, würde er sie aus dem bevorstehenden Kampf heraushalten. Denn der Gegner, mit dem er es zu tun hatte, war von einer Macht und Bösartigkeit, wie sie es sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnte.
Er hatte ihr wohlweislich so einiges verschwiegen.
Und das war auch besser so…
Schon jetzt war Zamorras hellwacher Geist bereit, jede auch noch so geringfügige Veränderung der Umwelt zu registrieren. Er hatte seine parapsychologischen Fühler ausgestreckt, war jederzeit auf einen dämonischen Angriff vorbereitet.
Und daß gerade Nicole seine verwundbarste Stelle war, wußte nicht nur er allein. Schon zu oft hatten die Mächte der Finsternis, die er bekämpfte, sich nicht ohne Grund gerade seine hübsche Freundin als Zielscheibe ihrer bösartigen Kräfte auserwählt.
Bisher rührte sich jedenfalls nichts. Zamorra glaubte, daß es die berühmte Ruhe vor dem Sturm war…
***
Bill Flemings schlimmste Befürchtungen
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