0132 - Der Schwarze Graf
und den drei Männern dort oben zu gelangen.
Vor allem zu Francisco Piecollo.
Mechanisch stapfte Bill Schritt um Schritt voran. Es wurde zunehmend dunkler. Noch dazu geriet er schließlich in die dichten Wolkenbänke. Es wurde immer schwieriger, die Übersicht zu behalten.
Plötzlich hielt Bill inne.
Er hatte das eigenartige Gefühl, nicht mehr alleine zu sein. Verunsichert blickte er sich um. Im Nebel war kaum etwas zu sehen.
Was war das eben bloß für ein Geräusch?
Hier hielt sich doch unmöglich jemand auf - vor allem nicht zu dieser Zeit. Ein Tier konnte es auch nicht sein; keines der Tiere, die hier lebten, hatte eine solche Art, sich fortzubewegen, hatte ein solches Gewicht, daß das Unterholz krachte.
In Bill flammte die Unruhe auf. Irgend etwas stimmte nicht. Linkerhand von ihm raschelte es wieder. Dann krachten dicke Äste entzwei. Es hörte sich an, als stapfe jemand mit schweren Schritten durchs Gebüsch.
Aus der anfänglichen Verwunderung wurde allmählich ein Gefühl des Unbehagens. Bill spürte in seinem Innern, daß Gefahr im Verzug war. Eine Gänsehaut lief über seinen Körper. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als das Knistern und Rascheln lauter wurde.
»Ist da jemand?« rief Bill in die Stille, die dann wieder eingetreten war. Nichts rührte sich. Nur das leise Rauschen des Windes.
Vorsichtig näherte sich Fleming dem Gestrüpp, aus dem die Geräusche erklungen waren. Er schob raschelnd die Zweige auseinander und blickte hinein. Es war absolut nichts zu erkennen - denn das Verhängnis stand schon hinter ihm!
Die dämonische, grinsende Fratze war nur noch ein paar Zentimeter von Bills Nacken entfernt. Das furchtbare Raubtiergebiß klaffte weit auseinander, bereit, jeden Moment todbringend zuzupacken. Der höllische Abgesandte d'Alays hatte nur einen Befehl: zu töten…
Sekundenlang schwebten die Kiefer der Bestie lautlos über dem ahnungslosen Mann, dann nahm die verzerrte Grimasse plötzlich einen verwunderten, wütenden Ausdruck an. Grünlicher Speichel lief dem Untier aus den Mundwinkeln, während es ein tiefes Grollen und Fauchen ausstieß.
Der monströse Koloß kämpfte gegen einen starken suggestiven Einfluß - und unterlag. Er wurde zu einem mörderischen Kampf gezwungen, der nicht so leicht zu entscheiden war wie dieser hier, denn es wartete ein mächtiger Gegner auf ihn…
Bill hörte das Knurren, spürte den fauligen Atem in seinem Nacken. Mit geballten Fäusten wirbelte er herum. Er wollte sein Leben so teuer wie möglich verkaufen.
Nervosität und Spannung waren verflogen. Nur noch eisige Kaltblütigkeit beherrschte ihn.
Doch Bills Augen wurden groß, denn er sah - nichts mehr! Von einem Moment zum anderen war die Kreatur verschwunden, als hätte sie der Erdboden verschluckt.
Bill atmete tief durch.
Er verstand die Welt nicht mehr. War das alles nur Einbildung gewesen? Er untersuchte die Umgebung, so gut ihm dies in der hereinbrechenden Dunkelheit noch möglich war. Spuren ließen sich nicht finden. In Bills Gehirn arbeitete es fieberhaft. Dieses urweltliche Grollen, das er da eben gehört hatte, war doch Realität gewesen?
Wie dem auch sei - er mußte weiter.
Wenn sich sowieso nichts finden ließ, brauchte er sich auch nicht länger hier aufzuhalten. Aber er mußte aufpassen!
Ein harmloser Spaziergang war das nicht…
Langsam keimte in Bill der Verdacht auf, mit seinem Alleingang einen Fehler gemacht zu haben.
Er hätte besser auf Zamorra warten sollen.
Aber eine Umkehr kam ihm nicht in den Sinn. Dafür hatte er Piecollo zu viele Fragen zu stellen.
Bill quälte sich weiter bergauf.
Von tief unten aus dem Tal riefen die mächtigen Glocken der Kirche von Borlezzo die Gläubigen zur Messe. Sie klangen leise zu den bewaldeten Höhen herauf, wo ein einsamer Wanderer seinen Weg beharrlich fortsetzte, nicht ahnend, welchem Schicksal er eben haarscharf entronnen war. Und wem er es zu verdanken hatte…
***
Während sich das Kirchengebäude nach und nach mit den wenigen Besuchern des abendlichen Gottesdienstes füllte, war Salvatore di Strecci mit gänzlich anderen Dingen beschäftigt. Eine unerklärliche, hektische Unruhe hatte den sonst so besonnenen Mann gepackt.
Bei flackerndem Kerzenlicht saß er in seinem spartanisch eingerichteten, fensterlosen Arbeitszimmer und las dabei laut mit eindringlicher, fast beschwörender Stimme uralte lateinische Formeln aus einer verwitterten Schrift seines Archivs. Trotz all der Nervosität, die ihn beherrschte, wirkte der
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