0132 - Wir und der Raketenprofessor
Tanz bitten?«
»Nein, danke, ich habe schon zu viel getanzt und auch zu viel getrunken.«
»Nur getrunken?«, war seine ironische Frage und ich sah, wie er Dolly scharf anblickte.
Jetzt merkte auch ich es. Ihre Pupillen waren klein, nicht viel größer als Stecknadelköpfe. Das Mädchen nahm Rauschgift, vielleicht war es Marihuana. Ich nahm mir vor, Dolly bei Gelegenheit in die Zange zu nehmen, bis sie mir verriet, woher sie das Teufelszeug bekam. Noch ein anderer Gedanke schoss mir durch den Kopf. Ob wohl ihr Gehalt als Angestellte ausreichte, um sich einen so kostspieligen Luxus zu leisten?
Auch das Kleid, das sie trug - es war ein anderes, als an dem Abend im Haus des Professors - war bestimmt sehr teuer gewesen.
»Auf Widersehen! Ich will die Herrschaften in ihrer Unterhaltung nicht stören«, sagte der Mexikaner lächelnd und ging. Als er zwei Schritte von uns entfernt war, drehte er sich um und sagte nochmals. »Auf Wiedersehen!«
Es war, als ob er eine besondere Bedeutung in diese beiden Worte gelegt hätte. Es hörte sich an wie eine Drohung, aber diese Drohung war nicht an mich gerichtet. Dolly musste dasselbe gefühlt haben. Sie packte meinen Arm so fest, dass es schmerzte.
»Ekelhalfter Kerl«, zischte sie. Damit schien Mr. Menendez für sie erledigt zu sein.
Sie trank hastig und rauchte unaufhörlich, ihr Mund stand keinen Augenblick still. Sie plapperte wie ein Grammofon, aber ich hatte den Eindruck, dass ihre Gedanken weit weg waren.
Dolly Barley hatte Angst. Und diese Angst brachte ich mit Menendez Auftauchen in Verbindung. Ich versuchte vorsichtig, sie zum Sprechen zu bringen, aber aalglatt wich sie mir aus. Sie tat einfach, als ob sie meine Frage nicht gehört habe.
Um zwei Uhr verschwand sie für zehn Minuten im Waschraum und als sie zurückkam, wusste ich, dass sie eine Marihuana-Zigarette geraucht hatte. Der süße Duft war unverkennbar und außerdem war sie plötzlich gar nicht mehr nervös.
»Bitte, bestelle mir noch einen letzten Drink«, bat sie.
»Es ist aber wirklich der letzte. Danach bekommst du nur noch Kaffee.«
»Schön«, sagte sie, »aber erst danach.«
Der Highball kam, sie nippte daran, stand auf und steuerte mit einer gemurmelten Entschuldigung wieder in Richtung Waschraum. Ich fürchtete schon, es sei ihr schlecht geworden, aber dann sah ich, wie sie kurz vor der Tür abbog, einen misstrauischen Blick herüberwarf und hinter dem Gewühl auf der Tanzfläche verschwand. Ich sah sie erst wieder, als sie schnell wie ein Wiesel durch den Ausgang wischte.
Sieh da, Dolly wollte mich versetzen. Wahrscheinlich hatte sie noch eine andere Verabredung. Oder war daran dieser Menendez schuld? Während ich dem Kellner winkte, sah ich mich flüchtig um. Ich konnte den Mexikaner nicht sehen, aber vor ein paar Sekunden war er noch da gewesen.
Es dauerte fast drei Minuten, bis der Kellner mir die Rechnung präsentierte. Es waren genau zweiunddreißig Dollar. Ich warf fünfunddreißig hin und machte, dass ich nach draußen kam. Keine Spur von Dolly. Ich nahm mir nicht einmal die Zeit, um Mantel und Hut aus der Garderobe zu holen. Ich eilte nach draußen, und da sah ich die zierliche Dolly, eng in einen Mantel gehüllt, um die Ecke der Ninth Avenue verschwinden. Mein Jaguar stand genau gegenüber am Bürgersteig.
Ich sprang hinein, startete und gab Gas. Als ich um die Ecke bog, sah ich sie über die Avenue huschen und zwei Blocks weiter in der 45. Straße untertauchen. Ich nahm denselben Weg, fand das Mädchen aber nicht wieder. Zwar war die Straße schlecht beleuchtet, aber sie konnte ja noch nicht weit sein. Ich stoppte und sprang heraus. Ich warf einen Blick in die nächste Bar, aber auch da war sie nicht. Wahrscheinlich wohnte sie hier irgendwo bei einer Freundin oder bei Verwandten. Sie war wohl schon zu Hause. Dennoch ging ich mit schnellen Schritten weiter.
Aus einer Kneipe dröhnte eine Musikbox. Sie quäkte so laut, dass ich den erstickten Schrei nur undeutlich hörte, aber ich wusste, woher er kam. Ein stockdunkler Torweg gähnte rechts neben mir, und daraus ertönte ein leises Geräusch, ein Scharren und, wie mir schien, Stöhnen.
Ich vermied jeden Lärm, und während ich in die Finsternis glitt, zog ich mit der einen Hand die Smith & Wesson, mit der anderen die Taschenlampe heraus. Dann blieb ich stehen. Das Stöhnen ging in ein Wimmern über, und dazwischen hörte ich eine leise Männerstimme.
»Wo hast du es, du kleines Biest? Sag es schnell, oder ich breche dir die
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