0132 - Wir und der Raketenprofessor
müssen wir weg. Der eine der Burschen ist tot, und ich muss mich darum kümmern, wer er ist. Vielleicht können wir dadurch den zweiten Kerl erwischen. Zuerst aber bringe ich dich zu deiner Freundin. Ich möchte keine Wiederholung riskieren.«
Ich trank meinen Kaffee aus. Als ich dann dem Kellner winkte, schmunzelte der über das ganze Gesicht.
»Die Dame hat bereits bezahlt.«
»Ich wusste ja nicht, ob du mich nicht schnell brauchst«, meinte Dolly und lehnte es energisch ab, sich den Betrag wiedergeben zu lassen.
Zuerst brachte ich sie in ihr Quartier und überzeugte mich davon, dass sie gut in die Wohnung kam. Die Freundin war kaum älter als Dolly, aber bestimmt nicht mit Reichtum beschert. Ich sah auch ein paar Kindersachen an der Garderobe hängen.
»Vielen Dank, Jerry«, sagte Dolly beim Abschied und streckte mir ihre Hand hin. »Es war so schön, trotz allem. Dafür konntest du ja nichts.«
»Bleibst du morgen noch hier?«, fragte ich.
»Nein, gegen Mittag fliege ich nach Washington zurück. Lass mal etwas von dir hören.«
Im Kielwasser des Streifenwagens fuhr ich dann zur 46. Straße. Im Hof des Hauses, unmittelbar vor der Mauer, lag der Tote.
»Da drüben ist der Hof, durch den er geflüchtet ist«, erklärte der Cop.
Im Schein einiger Lampen sah ich mir den Toten an. Er hatte einen Lungenschuss, mit dem er noch eine kurze Strecke hätte laufen können. Er konnte damit auch über die Mauer gekommen sein, aber der Schuss in den Hinterkopf war unbedingt sofort tödlich gewesen. Der Sergeant hatte richtig getippt. Die tödliche Kugel stammte nicht von mir.
Ich durchsuchte die Taschen, aber mit Ausnahme einiger zweiunddreißiger Patronen, eines schmutzigen Taschentuches, einer Packung Zigaretten und ein paar Geldstücken und Scheinen fand ich nichts. Wenn er wirklich eine Brieftasche oder einen Ausweis bei sich getragen hatte, so war sein Kumpan damit verschwunden.
Ich ordnete an, dass der Kerl zwecks Identifizierung zur City Police gebracht werden sollte. Er wurde in den schon bereitstehenden Wagen getragen. Obwohl es recht spät geworden war, fuhr ich hinterher.
Bei der City Police in der Center Street wurden Fingerabdrücke genommen und verglichen. Nach zehn Minuten wussten wir schon, wen wir vor uns hatten. Der Tote hieß Joe Saucing und hatte ein langes Strafregister. Er gehörte keiner Gang an, sondern war »selbstständig«. Er vermietete seine mannigfachen Fähigkeiten an den, der gerade Verwendung dafür hatte und genug bezahlte.
Captain Hoops vom Nachtdienst kannte ihn genau und versicherte, er habe mit unbedingter Gewissheit auf Bestellung gearbeitet.
»Was der Kerl aber heute gemacht hat, war nichts anderes als Gelegenheitsarbeit«, meinte ich. »Es muss im ›Moros‹ gewesen sein und gesehen haben, wie das Mädel das Täschchen mit zweihundertfünfzig Dollar heraus zog und einen Fünfziger heraus nahm. Das kann ja keine bestellte Arbeit gewesen sein.«
»Glauben Sie mir, Cotton«, sagte der Captain und schüttelte energisch den Kopf, »Saucing unternahm niemals etwas auf eigene Faust und ohne gründliche Vorbereitungen. Derartige kleine Raubüberfälle schlagen keineswegs in sein Fach. Die einzige Möglichkeit ist, dass er beauftragt wurde, das Mädel unter irgendeinem Vorwand hochzunehmen und zu verprügeln. Ich werde mich jedenfalls sofort bemühen, seinen Komplicen zu ermitteln. Wir wissen ja, wer seine Freunde waren.«
Auf dem Nachhauseweg ließ ich mir die Sache nochmals durch den Kopf gehen. Anscheinend war es kein Raubüberfall gewesen. Der hätte sich ja auch keinesfalls gelohnt. Wenn man wirklich im »Moros« gesehen hatte, dass Dolly das Täschchen mit dem Geld in den Ausschnitt ihres Kleides gesteckt hatte, so wäre die Frage: Wo hast du es, du kleines Biest? nicht nötig gewesen. Kerle vom Schlag dieses Saucing genieren sich nicht, sich gewaltsam zu holen, was sie wollen. Gleichgültig, wo es steckt.
Sollte es vielleicht doch so sein, dass Dolly viel mehr wusste, als sie zugab? Sie kannte Menendez und ich hatte den Eindruck gehabt, dass sie Angst vor ihm hatte. Sollte vielleicht auch ihre Erzählung, ihr sei schlecht geworden und sie sei darum nach draußen gelaufen, geschwindelt sein? War sie gar vor dem Mexikaner geflüchtet? Ich nahm mir vor, sie am Vormittag bei ihrer Freundin aufzusuchen und ihr auf den Zahn zu fühlen.
Ich wartete damit bis zehn Uhr, weil ich annahm, sie werde lange schlafen. Aber man soll niemals etwas so leicht annehmen. Als ich hinkam,
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