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0133 - Der Mumienfürst

0133 - Der Mumienfürst

Titel: 0133 - Der Mumienfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim von Koblinski
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geöffnet.
    Inez Ruiz begann zu sprechen - zu Inti, dem Sonnengott. Sie bediente sich dabei einer alten indianischen Sprache, die sie gar nicht kennen konnte. Ihre Worte klangen kehlig, ihre Stimme war um Nuancen dunkler als sonst.
    Als sie geendet hatte, ging sie in die Hocke, senkte den Kopf und blieb in dieser Stellung. Die Musik, die während ihres Gebets zum Sonnengott kaum zu hören gewesen war, wurde nun wieder lauter. Die drei Mädchen aus Urubamba ließen sich los, bauten sich vor der Mumie im Sessel auf, verbeugten sich und richteten sich wieder auf.
    Der Mumienfürst hob die Rechte, und die Mädchen verschwanden buchstäblich von einem Augenblick zum anderen. Man hätte den Eindruck gewinnen können, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
    Die Mumien in den roten Kutten traten vor. Inez Ruiz änderte ihre Position, legte sich wieder auf den Rücken, verschränkte die Hände über den Brüsten und schwebte davon. Vier der Mumien folgten ihr.
    Die anderen vier warteten, bis der Mumienfürst den Sessel verlassen hatte. Und während sie das Ding davontrugen, schritt der Fürst langsam auf den »Inkasimana« zu, den großen Altar, auf dem geheime Riten zu Ehren des Sonnengottes zelebriert wurden.
    Wohl zehn Minuten lang blieb der Mumienfürst stehen. Offensichtlich betete er, wenn sich auch seine halb zerstörten Lippen nicht bewegten. Plötzlich wurde es dunkel im Tempel. Die Gestalt des Mumienfürsten begann grünlich zu schimmern, schwebte davon, verlor sich irgendwo in der Weite des Gewölbes. Nur die Musik blieb. Sie verklang erst, als es im Tempel wieder hell wurde.
    Nichts war mehr zu sehen. Keine Mumie. Keine Tür. Nur der Altar, die Opferschale und die Säule mit der Katze sowie die steinernen Bänke waren da.
    Als Inez wieder erwachte, lag sie nackt auf ihrem Lager…
    ***
    Professor Zamorra und Nicole Duval saßen vor dem Zelt. Sie hatten zu Abend gegessen und warteten auf die Nacht. Es war kühl geworden. Beide trugen Parkas. Nicole hatte sogar außer einem dicken Pullover noch eins von Zamorras Unterhemden angezogen.
    »ça alors«, sagte sie plötzlich in die Stille hinein, »du glaubst also wirklich, daß sich heute nacht etwas tut?«
    Er nickte.
    »Ja. Ich nehme die Warnung ernst, Chérie. Dieser alte Bursche spaßt nicht. Und ich hab’ das Gefühl, daß es wieder ein Beben geben wird.«
    »Merde, merde, merde!« entfuhr es Nicole sehr undamenhaft.
    Zamorra drohte ihr scherzhaft mit erhobenem Zeigefinger. »Aber, aber… So was sagt man doch nicht!«
    »Ist doch wahr! Du, sag mal, ich hab’ darüber schon die ganze Zeit nachgedacht: Wir beide haben doch diesen Mumienpriester - oder was immer er auch darstellt - sprechen können. Welche Sprache war das? Französisch? Spanisch? Ich kann mir kein richtiges Bild davon machen, tu sais?!«
    »Sprache?« Zamorra lachte leise. »Es war eine telepathische Transposition. Er dachte wahrscheinlich in seiner Sprache. Vielleicht in einem der alten Idiome oder in Guarcani. Wir empfingen es in unserer Sprache. So einfach ist das, mein Schatz.« Er blickte auf die Armbanduhr. »Hm, noch knapp drei Stunden!«
    »Wieso gerade drei Stunden? Meinst du Mitternacht?« Nicole Duval schüttelte sich leicht. Sie fröstelte.
    »Bien sûr! Mitternacht. Wann sonst? Du glaubst doch nicht, daß Inka-Geister anders denken und agieren als in England oder sonstwo auf dieser schönen Welt?!«
    »Touché«, gab sie zurück und zündete sich eine Zigarette an. »Du hast recht wie immer. Also warten wir noch!«
    Professor Zamorra irrte sich. Sie brauchten nicht bis Mitternacht zu warten.
    Das Beben begann kurz vor zweiundzwanzig Uhr. Zuerst hatte es den Anschein, als würde es eins jener Gewitter geben, von denen Professor Ruiz gesagt hatte, daß sie äußerst gefährlich wären. Vor allem in den Bergen.
    Aber es war nur eine kurze elektrische Entladung in der Atmosphäre. Sekundenlang zuckten grelle Blitze über die Spitzen der Kordilleren, tauchten alles in kaltes, blaues Licht, dann folgte ein schmetternder Donnerschlag, der als vielfaches Echo durch die Canyons, Schluchten und Täler rollte. Gleichzeitig fegte eiskalter Wind über die Grate und schob ein riesiges Wolkengebirge vor den Mond. Binnen weniger Sekunden war es stockdunkel.
    Nicole war entsetzt aufgesprungen. Der Boden unter ihren Füßen begann zu wanken. Um sie herum knackte und knisterte es.
    »Die Berge!« schrie sie. »Mein Gott -die Berge. Wir…«
    Zamorra sprang auf sie zu, umschlang sie mit beiden Armen,

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