0133 - Der Mumienfürst
sich ihre Knie beugten.
Beide begannen gleichzeitig mit einer Art Litanei in der alten Inkasprache. Aus der Höhe der Kuppel drang Musik herab. Es war eine monotone Melodie, wie man sie auch heute noch oft in den Bergen von Chile, Peru oder Bolivien hören kann.
Die Sonne drehte sich noch immer. Wenn die beiden Mumienfürsten allerdings glaubten, Inti würde ihnen die Gnade erweisen, sich zu zeigen, sahen sie sich getäuscht. Er tat es nicht, blieb unsichtbar.
Unhörbar krochen Schlangen mit Jaguarköpfen in den Tempel. Kreaturen, die zweifellos Pachachuti untertan waren. Sie blieben zwischen den steinernen Sitzreihen abwartend liegen. Nur die häßlichen Köpfe wiegten hin und her.
Wieder ließ sich der Sonnengott vernehmen. Der Klang seiner Stimme hatte sich verändert. Die Wärme war daraus verschwunden.
»Pachachuti… ruf deine Sklaven zurück, wenn du nicht willst, daß ich dich bestrafe!«
Topa Inka drehte sich um, starrte die Schlangen an. Sein Erzfeind Pachachuti bleckte die hauerartigen Zähne und gab einen gezischten Befehl.
Sofort waren die Bestien verschwunden. Bis auf eine. Sie ringelte sich hoch, heiseres Krächzen kam aus dem weit geöffneten Rachen des Jaguarkopfes.
Pachachuti ging auf die Schlange zu. Seine Hände waren vorgestreckt, in den Augenhöhlen loderten Flammen.
»Zurück!« sagte er halblaut. Unterdrückte Wut sprach aus seiner Stimme.
Flammen schlugen plötzlich aus dem Maul der Schlange, hätten Pachachuti beinahe erfaßt, hätte er nicht blitzartig den Kopf zur Seite gerissen.
»Zum letzten Mal… zurück! Geh zu den anderen!«
»Er wird dir nicht gehorchen«, meldete sich der Sonnengott wieder.
Kaum hatte er ausgesprochen, als sich die drehende Sonne in Bewegung setzte und auf das Untier zuschwebte.
Jetzt glühte sie nicht mehr, sondern war in gelbrote Flammen gehüllt. Die Schlange bewegte sich nicht, war förmlich erstarrt. Die tückischen Raubtieraugen waren starr auf das Sonnenrad gerichtet, das sich jäh schneller zu drehen begann und wie das Blatt einer Kreissäge auf den Jaguarkopf zuglitt, sich gleichzeitig senkte und die Schlange zu zersägen begann.
Kaum lagen die beiden Hälften der Bestie auf dem steinernen Boden, da lösten sie sich bereits auf, wurden schwammig, verwandelten sich in einen zähen Brei, der dann sofort trocknete und als Staub liegenblieb.
Die Sonne schwebte zu ihrem alten Platz zurück, die Flammen erloschen, sie glühte nur noch rotgolden.
Es war ein gespenstisches Bild. Die beiden Mumienfürsten standen sich jetzt gegenüber. Topa Inkas Augen flammten grün, die des anderen rot, Die gräßlichen Gesichter waren verzerrt, jeder von ihnen hatte drohend den rechten Arm erhoben.
Sekundenlang schien es, als wollte der eine den anderen angreifen, doch dann wandte sich Topa Inka ab.
»Topa Inka!« Es war wieder Intis Stimme.
Der Mumienfürst straffte die etwas gebeugte Gestalt, hob den Blick zur Gewölbekuppel.
»Topa Inka… du hast einen Fehler gemacht. Du willst mir ein Opfer bringen, aber ich nehme nur drei an! Die anderen bedeuten für mich ein Sakrileg!«
Die Sonne nahm eine andere Färbung an, kaum daß Inti ausgesprochen hatte. Das Leuchten erstarb, dann schwebte sie auf die gleiche geheimnisvolle Weise davon, wie sie gekommen war.
Pachachutis Gesicht verzog sich zu einem widerlichen Grinsen. Ohne ihn zu beachten, ging Topa Inka auf die fünf Mädchen zu, blieb vor ihnen stehen, musterte sie lange, wandte sich dann ab und deutete mit dem skelettierten Zeigefinger der Rechten erst auf Inez Ruiz, danach auf Nicole Duval.
Zwei seiner Sklavenmumien nahmen die beiden an den Armen und brachten sie fort. Andere Mumien kamen auf Topa Inkas Geheiß näher und namen sich der drei Mädchen aus Urubamba an.
Als auch sie fort waren, drehte sich Topa Inka zu seinem Rivalen und Erzfeind um.
»Freu dich nicht zu früh, Pachachuti! Ich werde das ewige Leben erhalten!«
Wieder eine Armbewegung, und Topa Inka war verschwunden, hatte sich regelrecht in Luft aufgelöst.
Auch Pachachuti verschwand. Dann lag der Tempel des Sonnengottes Inti, nach dem jahrzehntelang von Wissenschaftlern und Forschern gesucht worden war und noch immer gesucht wird, einsam und verlassen da.
***
Die Zeit brannte Professor Zamorra unter den Nägeln. Alles an und in ihm stand unter nervlicher Hochspannung. Den ganzen Tag über war er unruhig, verfluchte sich selber, daß er Nicole überhaupt mit in die Berge genommen hatte. Wäre er strenger gewesen, befände sie sich
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