0133 - Der Mumienfürst
den Bergen zurückzukommen: Es gibt zwei auslösende Elemente. Einmal Inti, der seinen Zorn abreagiert oder irgendein Zeichen setzen will. Zum anderen die ihm dienenden Apus - Dämonen, die auf solche Art ihrem Zorn Ausdruck verleihen. Und dieser Zorn kann viele Ursachen haben.«
Zamorra zuckte mit den Achseln.
»Topa Inka sagte, das Beben würde Inti auslösen. Allerdings frage ich mich ernstlich, ob dieses Beben tatsächlich stattfindet.«
Ruiz sah ihn verdutzt an.
»Wie? Sie glauben doch nicht etwa, daß…«
Er wurde unterbrochen.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen! Sie alle in Urubamba haben es gehört! Es gibt sogar Augenzeugen. Das muß jedoch alles nicht real gewesen sein, sondern es kann sich um telehypnotische Bildübertragungen handeln. Wer will das wissen? Ich glaube schon, daß Topa Inka und Pachachuti über geheimnisvolle und auch starke Kräfte verfügen. Und ich glaube, daß das, was sie nicht können, dann von Inti ausgeht.«
Ruiz dachte sekundenlang nach, ehe er nickte.
»Eine interessante Theorie. An so etwas habe ich, ehrlich gesagt, noch niemals gedacht. Aber nun verraten Sie mir bitte, wie Sie vorgehen wollen. Ich bewundere Sie, daß Sie es geschafft haben, hineinzukommen und auch wieder herauszugelangen. Sicher war Topa Inka geschockt, als er erkennen mußte, daß seine Helfershelfer nicht unverwundbar sind. Aber er wird entsprechende Vorbereitungen treffen.«
»Erst einmal werde ich schlafen, Kollege Ruiz. Die Konzentration zur astralen Projektion hat enorme Kräfte verschlissen. Ich fühle mich wie ausgelaugt. Wecken Sie mich nicht! Und wenn ich bis zum Nachmittag schlafen sollte. Am Abend werde ich wieder hinauffahren.«
Aber Ruiz gab keine Ruhe. Zamorra konnte ihn verstehen und gab noch eine Stunde zu, während der sie sich angeregt unterhielten. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um Topa Inka, Pachachuti und den geheimnisvollen Tempel.
Als Professor Zamorra schließlich im Bett lag, schlief er sofort und übergangslos ein.
***
Die fünf Mädchen standen nebeneinander an der Wand. Unbeweglich. Mit starren Gesichtern. Alle trugen weiße, durchscheinende Gewänder, die bis auf den Boden reichten.
Topa Inka saß auf seinem Thronsessel, umgeben von seinen Mumiensklaven in ihren seltsamen Rüstungen.
Der Blick des Mumienfürsten war auf die aus reinem Gold bestehende Nachbildung einer von Strahlen umgebenen Sonne gerichtet. Sie schwebte im Tempelgebäude - zwischen Thronsessel und Altar.
Immer, wenn Topa Inka Zwiesprache mit Inti hielt, ließ er die goldene Sonne kommen, die sein persönliches Eigentum war. Ihr Anblick gab ihm die Kraft, um mit Inti reden und ihn hören zu können.
Minutenlang befand er sich bereits im Gebet, aber noch hatte er Intis Stimme nicht gehört. Der Sonnengott schwieg, und das erfüllte den Mumienfürsten mit Furcht.
Plötzlich fuhr er herum, das rissige Ledergesicht verzog sich zu einer grauenhaften Grimasse. »Pachachuti!« sagte er laut.
Sein alter Erzfeind stand hinter ihm. Plötzlich war er dagewesen. Als wäre er aus dem Boden gewachsen oder von der Kuppel des Felsentempels gefallen.
»Topa Inka!« Der zweite Mumienfürst bewegte den Mund. Er sprach nicht telepathisch, sondern wirklich. »Du wirst es nicht schaffen! Ich werde ins Reich Intis Einzug halten! Und dich werde ich vernichten!«
»Dazu iehlt dir die Kraft!« konterte sein Rivale. »Und du hast kein Opfer, dessen Blut du Inti spenden kannst! Ich habe sie! Dort !« Sein gräßlicher Arm mit den skelettierten Händen wies zur Wand. »Mit ihrem Blut erringe ich Intis Gnade, Pachachuti! Was hast du? Nichts!«
»Meine Macht ist größer als deine, Topa Inka! Und das weißt du! Bisher habe ich dich noch immer geschlagen.«
Topa Inka wollte antworten, doch da begann sich die goldene Sonne zu verfärben, von innen her zu leuchten. Sie wurde schließlich rotglühend, begann sich langsam zu drehen.
Und dann hörte man eine Stimme. Sie kam von irgendwoher. Von wo, war nicht zu erkennen. Sie klang emotionslos, beinahe warm, mit freundlichem Klang.
»Topa Inka! Pachachuti! Ihr habt nicht mehr viel Zeit, wenn ihr wollt, daß ich mein damals gegebenes Versprechen einlöse! Ich verbiete euch, Mittel anzuwenden, die euer nicht würdig sind! Ihr lebt nicht mehr, daher sollten euch Regungen jener Art, wie ihr sie verspürt, fremd sein!«
Die Mumienköpfe senkten sich demütig. Topa Inka verließ seinen Thronsessel und kniete nieder. Pachachuti tat es ihm nach. Es knisterte und knackte, als
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