0133 - Schiffe, Schätze, scharfe Schüsse
werden, ohne dass Verdacht erregt wurde. Es war sogar natürlich, dass ein Sanatorium wie das Home of Peace eine gewisse Menge Rauschgifte im Hause hatte. Man konnte es von Kranken abfüllen lassen, die keine Ahnung hatten, welche Arbeit sie verrichteten. Sie könnten niemals vor dem Richter als Zeugen aussagen. Und man konnte Gangster als Wärter anstellen. Sie hatten einen festen Unterschlupf, und sollten sie einmal geschnappt werden und den Mund auf tun, dann stempelte man sie zu entflohenen Kranken ab, zu bedauernswerten Irren.«
»Eine tolle Organisation«, meinte ich. »Und wer war das Oberhaupt? Dr. Seigel - Dr. Lame?«
»Keiner von beiden«, vermutete Mr. High. »An sich könnten wir die Angelegenheit als abgeschlossen betrachten. Die Abnehmer, die Zwischenhändler, die kleinen Lieferanten werden wir in den nächsten Wochen zum größten Teil festnehmen können. Wir werden die Fäden aufspüren, die vom Home of Peace zu den bekannten und unbekannten Rauschgiftzentren unserer Städte im Osten führen.«
»Aber weiter kommen wir nur, wenn wir die Männer unschädlich machen, die das Rauschgift in das Home of Peace geliefert haben.«
»Richtig«, sagte der Chef. »Seigel und Lame waren nichts weiter als Handlanger.«
»Aber wir haben keine Spuren, die uns weiterbringen. Bei Seigel, Larne und dem Home of Peace hört alles auf«, sagte ich. »Ist es so, Chef?«
Mister High nickte.
»Leider scheint dies tatsächlich der Fall zu sein. Endgültiges ist natürlich noch nicht zu sagen.«
»Mr. Steiner und sein Anruf«, erinnerte Phil.
»Wenn das nicht nur ein ganz großer Bluff war«, meinte Mr. High nachdenklich.
»In welcher Richtung?«
»Eben in der, dass der Mann, der Steiner Geheimnisse anvertraut hatte, nicht das Geringste mit Mr. Driggs zu tun hatte!«
Wir saßen noch eine Stunde da und überlegten. Wir betrachteten die Dinge von allen möglichen Seiten, ohne deshalb klüger zu werden.
Plötzlich sprang Phil auf.
»Dass ich nicht mehr daran gedacht habe! Dudley sprach davon, dass das Home of Peace eine Stiftung sei. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir über den Stifter, über seine Person und seine Verhältnisse nicht weiterkämen.«
Fünf Minuten später wussten wir, dass eine Mrs. Dalia Winthrop die Stifterin dieses Heimes war. Sie besaß auch jetzt noch gewisse Aufsichts- und Verfügungsrechte darüber.
»Allerdings ohne sie jemals auszuüben«, erklärte sie uns, als wir sie in ihrer Wohnung am Central-Park aufsuchten.
Dalia Winthrop hatte ein ausdrucksloses, großporiges Gesicht, über dessen zahllosen Fältchen blassrosa Puder in dicken Schichten lag. Ihr Haar war dünn, gebleicht und etwas zu gekünstelt gewellt Sie schien auch im Haus das kleine Gebilde, zu dem man nur mit schlechtem Gewissen Hut sagen konnte, nicht abzulegen. In der linken Hand hielt sie ein Lorgnon, die rechte benützte sie, um ihre Worte mit Gesten zu unterstreichen. Sie war alles in allem eine Amerikanerin, die Geld besaß, nipht mehr jung war und nicht wusste, wie sie ihre Zeit verbringen sollte. Sie war für das Wohltätigkeitswesen wie geschaffen.
»In wessen Hände lagen dann Aufsichts- und-Verfügungsrechte über das Home of Peace?«, erkundigte sich Phil höflich.
Mit solchen, unter Puder und Seide oft gefährlich scharf geladenen Personen weiß er prächtig umzugehen. Ich hätte das Lächeln, das er für Mrs. Winthorp bereithielt, einfach nicht zustande gebracht.
»Ach, wenn ich das wüsste«, beklagte sie sich. Ihre Augen wurden weit vor Selbstmitleid.
»Na, Sie sind doch jung, Sie haben bestimmt ein fabelhaftes Gedächtnis«, half ihr Phil nach.
Er erntete einen Blick, den sie einst für einen Empfang bei Präsident Eisen- hower einstudiert haben mochte. Mrs. Dalia Winthrop ging an einen Barockschreibtisch, öffnete ein Fach und holte einen Stoß Papiere hervor. Sie begann darin zu kramen.
»Wir dürfen ihnen doch behilflich sein?«, beeilte sich Phil, und half ihr den Stoß durchzufingern.
Einladungen zu Wohltätigkeitsbällen, Konzerten, Aufrufe, Spendenlisten - und alles nur Mögliche gaben sich hier ein Stelldichein. Plötzlich hielt Mrs. Winthrop inne und sah uns beide misstrauisch an.
»Was führt Sie eigentüch zu mir? Wer sind Sie?«
»Wir sind vom FBI«,lächelte Phil ihr zu, als brächte er ihr einen Lotteriegewinn. Sie sah ihn verständnislos an.
»Und was hat das FBI mit meiner Stiftung zu tun?«, fragte sie.
In ihren Augen erwachte Angst, und kleine Schweißtropfen kämpften
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