0134 - Der Goldene aus der Geisterstadt
dein Erscheinen nicht ganz von ungefähr ist. Sagtest du nicht, Montagne sei einer deiner Vorfahren? Ich nehme an, daß der Schamane weniger die Absicht hatte, Zamo Rra zu heilen, als den Montagne, den Träger des Amuletts, zu beschwören.«
»Es mag sein«, sagte Zamorra düster. »Ich bin jetzt der Träger des Amuletts. Antars Ruf erreichte den Falschen. Leonardo de Montagne ist seit Jahrhunderten tot. Kaum jemand erinnert sich noch an ihn. Aber… wie ist das möglich? Antar sprach mit ihm?«
»Die Nichtmenschlichen sind langlebig«, grunzte Smokie. »Sie leben einige tausend Jahre und länger, ohne zu altern.«
Ein dünnes, unfrohes Lächeln umspielte Zamorras Lippen. »Ich kann mir Antars Überraschung lebhaft vorstellen. Statt des erwarteten dämonischen Montagne kam dessen glattes Gegenteil… hm…« Er schwieg einige Sekunden, dann fragte er: »Irgendwann vorhin tauchte der Begriff« Schlafende Prinzessin »auf. Was hat es damit auf sich?«
»Antar erwähnte sie«, brummte das Krokodil. »Die ›Schlafende Prinzessin‹ ist eine Priesterin des höchsten Gottes. Sie besaß damals viel Macht. Man sagte, der hächste Gott habe ihr die Unsterblichkeit geschenkt. Sie erkannte die Bösartigkeit des Montagne und predigte wider ihn und sein Tun. Doch der Montagne ersann einen üblen Trick, mit dem es ihm gelang, sie in den ewigen Schlaf zu verbannen. Niemand im Volk hinderte ihn. Die Nichtmenschlichen nannten es ›göttlichen Willen‹. Seit dieser Zeit schläft die Prinzessin in einem gläsernen Schrein.«
»Dornröschen«, murmelte Zamorra.
»Zamorra, in dessen Körper du dich befindest«, sagte Smokie gelassen, »versuchte übrigens zeit seines Lebens, die Schlafende Prinzessin aus dem Ewigen Schlaf zu wecken. Bislang vergeblich.«
Zamorra schluckte. »Ich werde sein Werk fortsetzen«, sagte er. »Wenn Leonardo de Montagne sie in Schlaf versenkte, ist es meine Pflicht, sie daraus zu erlösen. Wo befindet sich der Schrein?«
»Du spinnst«, stellte Smokie trocken fest. »Du glaubst doch nicht, daß dir als Fremden gelingt, was Zamo Rra dreißig Jahre lang versuchte?«
»Vielleicht doch«, brummte Zamorra. »Ich besitze immerhin einige parapsychische Fähigkeiten. Zwar fehlt mir in dieser Dimension das Amulett, aber… dafür habe ich das Dhyarra-Schwert.«
»Und?« fragte Smokie. »Was gedenkst du damit zu tun? Den Schrein zerdeppern? Scherben bringen Glück, wecken aber keine Schläferinnen!«
Zamorra hob die Brauen. »Jetzt sag nur nicht, du weißt nicht, was es mit dem Schwert auf sich hat. Hast du nicht das weiße Energienetz gesehen, das es ausstieß?«
»Schon«, erklärte Smokie, »und ich wunderte mich im Stillen. Aber ich glaubte, es wäre, ein Zaubertrick. Was ist denn Besonderes an dem Skalpritzer?«
Zamorra seufzte. »Und dieses Volk will einmal die Magie beherrscht haben«, stieß er mit éinem anklagenden Blick zum Himmel hervor. »Es ist ein Dhyarra-Kristall, ein Magieverstärker! Hat Zamo Rra ihn denn nie eingesetzt?«
»Zamo Rra war ein anständiger Mensch, kein Zauberer. Eigentlich mag ich keine Zauberer. Du bist die rühmliche Ausnahme.«
Zamorra hüstelte trocken. »So ist das, hm. Und warum magst du keine Zauberer?«
»Sieh mich an«, erklärte das Krokodil, »und du weißt, warum! Ich war einst ein stolzer Prinz. Ich machte dabei den Fehler, einen Zauberer einen schleimigen… na, du kannst dir denken, was -nannte. Er verwandelte mich in ein Krokodil. Anschließend fraß ich ihn.«
Sprachlos starrte Zamorra das bizarre Wesen an. Er fand keine Worte mehr.
***
Mit einem gellenden Aufschrei erwachte sie. Das Erlebte schwang in ihr nach. Nur allmählich wurde ihr bewußt, daß es ein Schein-Erlebnis gewesen war, ein Traum. Ein böser Traum. Ein Drachenwesen hatte sie verfolgt, gehetzt, und dabei Zamorras abgeschlagenen Kopf mit seinen Drachenklauen durch die Luft geschwenkt. Dabei geisterte immer wieder der Name Ynnchaahr durch ihr Gehirn. Es war der Name des Drachenwesens, gleichzeitig aber auch der Name, den Ansu Tanaar ausgestoßen hatte.
Ansu Tanaar…
Nicole erhob sich. Sie schüttelte sich, als könne sie damit die Erinnerung an den Alptraum abwerfen. Sie sah an sich herunter; sie war noch vollständig angekleidet. Sie entsann sich, daß sie sich so auf das Bett geworfen hatte.
Draußen schien die Morgensonne. Nicole warf einen Blick auf die Uhr. Die Digitalanzeige wies den Wert Neun aus. Nicole streifte die Kleider ab, hüllte sich in einen flauschigen Bademantel und
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