0134 - Der Goldene aus der Geisterstadt
Nicole aufmerksam durch die dicken Gläser seiner Hornbrille an.
»Ein etwas eigentümliches Ansinnen, Mademoiselle«, sagte er schließlich. »Ich weiß nicht… im Grunde hat Monsieur Dauvoix doch recht. Sie setzen sich damit wirklich in dringenden Verdacht. Wenn ich Sie nicht so lange und so gut kennen würde, dann…«
Nicole sah auf ihre Uhr. »Victor, am Gericht beginnt bald die Mittagspause, und wenn die vorüber ist, ist alles zu spät… Ich flehe Sie an: Besorgen Sie die Verfügung, daß Zamorras Leichnam nicht geöffnet oder anderweitig daran manipuliert werden darf!«
Victor Randeil verzog unbehaglich das Gesicht. »Am Gericht lacht man mich aus, Mademoiselle, wenn ich nicht einen triftigen Grund vorweise! Bitte…«
Nicole wußte, daß auch Randell ihr nichts von einem Wiederbelebungsversuch auf magischer Basis glauben würde. Die Menschen des zwanzigsten Jahrhundert waren zu sehr technisch orientiert. Die Magie und ihre Wirkungen begriffen sie erst dann, wenn sie sie selbst erlebten. Die Künste der Alten galten als Spinnerei, als Scharlatanerie. Und zu einem großen Teil waren sie das auch. Aber das Körnchen Wirklichkeit, das sich in Lug und Trug befand, reichte nicht aus, die Menschen wieder an Magie, Dämonen und Gottheiten glauben zu lassen. Es war immer wieder dasselbe Problem.
»Es liegt dringender Verdacht vor, daß der Professor lediglich scheintot ist«, sagte Nicole leise und fast widerwillig.
»Bon, Mademoiselle, das ist ein Grund«, nickte der Anwalt. »Aber ob wir damit durchkommen… denn bisher ist doch der Zustand des Scheintodes immer erst hinterher festgestellt worden.«
»Dann erklären Sie dem Richter, wir hätten ein neuentwickeltes Meßverfahren angewandt, das auf Zellschwingungen reagiert oder so ähnlich…« warf Raffael verärgert ein. »Machen Sie doch bitte voran. Wir haben nicht mehr viel Zeit!«
»Haben - haben Sie wirklich so ein Meßverfahren, so ein Gerät?« stammelte Victor Randeil betroffen.
Raffael schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, aber das braucht im Moment doch niemand zu wissen! Ich las nur mal in einem Zukunftsroman von so einem Ding, und den Mond haben wir ja auch schon erreicht…«
Jetzt endlich begann Doktor Randeil Aktivität zu zeigen. Eine halbe Stunde später kam er zurück, einen Umschlag in der Hand.
»Unglaublich«, sagte er. »Es ist gelungen. Ich habe die Verfügung.«
Nicole schnappte sie ihm aus den Fingern. »Heißen Dank, Doktor! Die Rechnung wie üblich ans Château, und wenn Sie in ein paar Tagen dem Professor wieder die Hand schütteln können, verdankt er das vielleicht nur Ihrer Mithilfe…«
»Nehmen Sie die Sache nicht so einfach«, warnte Randell. »Es ist möglich, daß die Dinge sich zu einem Prozeß ausweiten. Immerhin gehen Sie gegen eine Behörde vor, gegen die Polizei…«
Nicole vernahm seine Worte schon nicht mehr. Abermals zwanzig Minuten später schmetterte sie das gerichtliche Schreiben dem Kommissar auf den Arbeitstisch.
Dauvoix runzelte die Stirn.
»Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken«, murmelte er. »Aber wenn Sie mit solchen Mitteln kommen, werden Sie hoffentlich verstehen, daß ich meinerseits versuchen werde, Sie wegen vorsätzlicher Behinderung der polizeilichen Ermittlungsarbeit zu belangen.«
Nicole ließ ihn abermals allein. Sie hob die Schultern. Pierre Dauvoix mußte so handeln. Er kannte die Hintergründe nicht. Und selbst wenn er sie gekannt hätte - es war fraglich, ob er Nicole die fantastische Erzählung geglaubt hätte.
Während der Rückfahrt zum Schloß drehte das Mädchen unablässig die silberne Scheibe des Amuletts in den Händen hin und her.
Würde sie es so einsetzen können, wie es Zamorra zu tun vermocht hatte?
***
»Das ganze noch einmal«, verlangte Zamorra, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. In der Weißen Stadt in der fremden Dimensionssphäre nahmen die Überraschungen kein Ende mehr!
»Schön, wenn dus noch einmal hören willst… ich war ein Lemurer von fürstlichem Geblüt. Smok Arilann war damals mein Name. Ich beleidigte den Zauberer, und er verwandelte mich in diese Krokodilsgestalt. In meiner aufwallenden Panik und meinem Zorn fiel ich über ihn her und fraß ihn, ehe ich die durch die Verwandlung mitbekommenen tierischen Instinkte wieder unter Kontrolle hatte. Das Tribunal sprach mich frei mit der Begründung, ich habe in verständlicher Notwehr gehandelt. Nun, seitdem bin ich Smokie, das Krokodil. Inzwischen habe ich mich an diesen Körper
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