0135 - Der Moloch
an Jane Collins satt gesehen hatte, breitete er seine Arme aus und damit auch den Mantel. Jetzt sah Jane, daß er in der rechten Hand einen Stab trug, dessen oberes Ende seltsam grünlich schimmerte. Als wäre es aus durchsichtigem Glas, in dessen Kuppe man Nebel gefüllt hatte.
Die Hände waren normal. Jane sah die zehn Finger, und fünf davon umklammerten den Stab.
Der Moloch schaute seine Diener an. Und als die Blicke über die Menschen glitten, beugten die ihre Oberkörper nach vorn und verneigten sich vor dem Moloch.
Er war ihr Götze. Er gehörte ihnen.
Ireus kam vor. Er hatte sich wieder seinen Zylinder aufgesetzt und wirkte wie ein Zauberer, was er im Endeffekt auch war. Ein Zauberer des Bösen…
Ireus sprach. »Er ist gekommen, um mir und um euch die Macht zu geben. Wenn er die sieben Leben in sich aufgenommen hat, wird seine Kraft so stark sein, daß ihn nichts mehr besiegen kann, denn er hat einen großen Verbündeten – den Satan!«
Ehrfurchtsvolles Schweigen nach diesen Worten. Dem Satan diente jeder gern, denn sie alle hatten dem Guten abgeschworen und sich dem Bösen zugewandt.
Satan sollte siegen – der Moloch sollte siegen.
»Noch ist er schwach«, rief Ireus mit lauter Stimme, »aber ihr, die ihr ihm die Frauen besorgt habt, könnt bald stark sein. Ihr werdet London beherrschen, niemand kann euch etwas antun, denn der gewaltige Rächer schützt euch, Freunde.«
Was hatte Jane da gehört? Die Diener hatten die Mädchen herbeigeschafft?
Das durfte doch nicht wahr sein.
Ireus fuhr fort. »Vor einem Jahr wurde all das vorbereitet. Ihr habt mir die Namen der Opfer genannt, ich habe sie weitergegeben, und mächtige Freunde, Herrscher der Unterwelt, haben diese Mädchen präpariert. Sie sind bereit, sie schreckt der Tod nicht mehr, denn sie tun euch einen Gefallen, indem sie ihr Leben für euch hingeben. Ihre Seele, ihre Jugend. Und der Moloch erstarkt.«
Das wollte einfach nicht in Janes Kopf hinein. Vielleicht hatten die Teufelsdiener sogar ihre eigenen Verwandten verraten, um dem Moloch dienlich zu sein.
Schlimm. So schlimm, daß man gar nicht darüber nachdenken sollte. Wieder einmal erlebte Jane Collins, wie grausam und wie schlimm Menschen doch sein können.
Der Mensch war manchmal schlimmer als ein Tier. Man konnte dem Moloch nicht einmal einen Vorwurf machen, er war kein denkendes Wesen, er lebte nur seinen Trieben entsprechend, aber die anderen, die konnte man dafür verantwortlich machen.
Ireus an erster Stelle.
Er hatte das Monster geleitet, hatte ihm überhaupt die Chance gegeben, so etwas zu tun.
Der Mann ging vor und legte seine Hand auf die Schulter des Molochs. »Er freut sich, das hat er mir gesagt. Und er wird euch das geben, wonach ihr lechzt.« Ireus schaute sich um. »Genug«, sagte er, »zündet die Kerzen an.«
Nach diesen Worten verschwand er.
Der Moloch blieb allein zurück. Noch immer schaute er auf Jane.
Minuten vergingen. Eine Zeitspanne, die von den Dienern des Molochs genutzt wurde.
Sie holten etwas hervor.
Schwarze Kerzen – die Farbe der Hölle…
Sie stellten sie auf die Tische, Zündhölzer wurden angerissen, flackerten auf, Flammen berührten die Dochte, die sofort Feuer fingen und brannten.
Dann verlöschte das Licht.
Schlagartig gingen die Lampen an den Wänden aus. Nur noch die Kerzen brannten – und die rote Lampe an der Decke, die Jane Collins mit ihrem Schein übergoß.
Die Detektivin kam sich vor wie auf einer Insel. Sie schauderte zusammen und preßte unwillkürlich die Arme gegen den Körper.
Als der Moloch sich bewegte, erschrak sie. Er ging zur Seite, nahm den Stab und deutete auf Charity.
Das grüne Glühen wurde intensiver, erreichte Charitys Gesicht und ließ es seltsam fahl aussehen.
Das Mädchen wußte, was es zu tun hatte. Charity ging langsam vor und steuerte die Tanzfläche an. Es betrat sie, und sofort wurde auch ihr fast nackter Körper vom roten Licht gestreift.
Neben Jane blieb sie stehen.
»Was will der von dir?« flüsterte die Detektivin.
»Von mir ist gut. Von uns beiden, Kindchen. Er will uns beide haben. Wahrscheinlich hat ihm das Ireus eingeflüstert, dieser verdammte Hundesohn.«
Charity schien auch nicht mehr auf seiner Seite zu stehen. Aber das hatte sie eigentlich nie, sie war nur im Laufe ihres Lebens verdammt illusionslos geworden.
Jane schaute sie von der Seite her an.
Charity war nicht unbedingt als Schönheit zu bezeichnen, dafür wies ihr Gesicht bereits zu harte Linien auf. Spuren eines
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