0136 - Die Feuerhexe
Vorsichtig näherte ich mich dem Dachrand. Der Sturm sollte mich nicht ein zweitesmal überraschen.
Langsam stieg ich die Leiter hinunter. Suko stand neben der letzten Sprosse und erwartete mich.
»Mann, das war hart«, sagte er. »Ich wollte schon hoch, da hörte der Wind auf.«
»Zwei Tote«, sagte ich, »gehen wieder auf das Konto dieser verdammten Hexe. Die dreht langsam durch.«
»Vielleicht drei«, meinte Suko und deutete auf die Gestalt am Boden. »Ich habe alles versucht, aber es nicht so schnell geschafft, die Flammen zu löschen.«
»Er lebt aber doch?«
Suko nickte. »Was man so leben nennt.«
»Dann muß er sofort in ärztliche Behandlung.«
Der Chinese winkte ab. »Habe ich bereits erledigt. Die Ambulanz müßte unterwegs sein. Ich habe vom Wagen aus angerufen.«
»Gut.«
»Wenn wir eine halbe Stunde früher gekommen wären, hätten wir vielleicht eine Chance gehabt«, sagte Suko.
»Ja, wenn…« Ich bückte mich, weil im schwachen Licht etwas schimmerte.
Es war eine Waffe.
Ich zeigte sie Suko.
»Die hat der Verletzte verloren.«
»Wer läuft eigentlich mit einem Schießeisen herum, wenn er kein Polizist ist?« überlegte ich.
»Ein Gangster.«
»Genau.« Während dieser Antwort bückte mich ein zweitesmal.
Da der Mann auf der Seite lag, kam ich leicht an seine Brieftasche heran. Mit zwei Fingern zog ich sie hervor und klappte sie auf.
Suko schaltete die kleine Bleistiftleuchte an, in deren Schein wir lesen konnten.
»Morgan Victim«, buchstabierte ich. »Mit dem Namen kann ich nichts anfangen, aber sicherlich der Erkennungsdienst.« Ich lief zum Wagen zurück und rief über Autotelefon im Yard an. Dann gab ich den Namen durch.
»Wollen Sie warten?« fragte mich der Kollege.
»Nein, ich rufe Sie noch einmal an.«
Als ich aus dem Wagen stieg, kam der Krankenwagen. Die Mordkommission war auch zur Stelle. Wieder hatte ich unfreiwillig für Arbeit gesorgt. Die Kollegen kannten mich. Sie wußten auch, daß ich Untersuchungen nie lange abwartete.
Ich besprach mich nur kurz mit dem Einsatzleiter, während Suko im Bentley wartete. Bevor der Ambulanzwagen abfuhr, redete ich noch mit dem Arzt.
»Er wird es schwer haben«, sagte der Doc. »Ich kann Ihnen nicht sagen, ob er durchkommen wird. Seine Chancen stehen zumindest schlecht.«
»Danke, Doc.«
Wieder im Bentley, griff ich sofort zum Telefon und rief abermals beim Yard an. Rasch wurde ich weiterverbunden.
»Und ob wir den kennen«, sagte der Kollege. »Ein mittelschwerer Fisch, wenn nicht ein großer. Dieser Morgan Victim arbeitet sehr eng mit Logan Costello zusammen. Sie wissen, wer Costello ist?«
»Ja, ich danke Ihnen.«
Logan Costello. Zum zweitenmal innerhalb kürzester Zeit stolperte ich über diesen Namen. Ich war dabei gewesen, als sein Bruder Selbstmord verübt hatte. Mit Costello selbst hatte ich nicht geredet, doch Gerüchte aus der Unterwelt, von unseren V-Leuten vorgetragen, besagten, daß Logan diesen Selbstmord nicht so recht abnahm. Er dachte noch darüber nach, was er unternehmen sollte.
Als hätte ich nicht schon Gegner genug. Ein Killerboß wie Costello fehlte mir noch in der Sammlung. Meine Laune war nicht gerade auf dem Höhepunkt, als ich startete.
»Wohin?« fragte Suko lächelnd.
»Charles Lomax suchen«, knirschte ich. »Hoffentlich rennen wir nicht wieder hinterher…«
***
»Pause!« rief Charles Lomax, »aber nur eine Viertelstunde, meine Damen und Herren.«
»Warum machen wir denn nicht Schluß?« rief ein Schauspieler aus dem Zuschauerraum.
»Weil ihr noch nicht top seid.«
»Das liegt am Regisseur.«
Lomax, der die Bühne verlassen wollte, drehte sich lässig um und schielte über seine Brille hinweg. »Das müssen Sie gerade sagen, Clint. Wegen Ihnen haben wir auch später anfangen müssen, weil Sie mal wieder nicht pünktlich waren. Clint Görden, der Schläfer vom Dienst.«
»Immer sind wir schuld.«
Charles winkte nur ab und verschwand durch die Inspizientengasse. Am Ende der Gasse, dort wo die rote Brandmauer begann und es zu dem großen Kulissenraum ging, wartete Mara.
Mara war Souffleuse und die Geliebte des Regisseurs. Sie war ein knabenhaft wirkendes Girl mit pechschwarzem Lockenkopf. Zudem hatte sie einen sehr dunklen Teint, und die großen Ringohrringe gaben ihr noch mehr das Aussehen einer Zigeunerin.
Neben Mara blieb Charles stehen. Er lächelte knapp. Auch ihm sah man die Erschöpfung an. Sein langsam grau werdendes Haar hing ihm in die Stirn. Der schwarze Rollkragenpullover
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