0136 - Die Feuerhexe
beiden scharfen Gesichtsfalten zwischen Nase und Mund nach. Seine Haut sah grau aus. Dunkle Bartschatten umwucherten das Kinn. Die Augen zeigten einen müden Ausdruck.
Dieses Theaterstück ging an die Nieren. Es war eine Uraufführung.
Ein moderner Dichter hatte es geschrieben. Einige Textpassagen klangen ziemlich unverständlich. Zudem handelte es von einer besonderen Rolle der Frau. Eine Emanzipationsgeschichte, die böse endete. Der strahlende jugendliche Held wurde zum Schluß zum Eunuchen, die Frauen hatten ihre Rache und der Regisseur seinen Ärger.
Lomax hatte sich zuerst geweigert, dieses Stück zu inszenieren, war aber gegen die Lobby nicht angekommen. Dem Nachwuchs eine Chance, hieß es, doch auf den Nachwuchs konnte Lomax gern verzichten. Allerdings war er nicht freiberuflich tätig, sondern angestellt, und so mußte er hin und wieder Dinge gegen seinen Willen übernehmen.
»Gehen wir wieder zurück?« fragte Mara.
»Ja, aber kein Wort zu den anderen.«
»Versteht sich von selbst.«
Sie nahmen den gleichen Weg. Charles war sehr schweigsam. Die letzte Entdeckung beschäftigte ihn sehr. In dem Kaffeebecher war wirklich Blut gewesen, er hatte sich nicht getäuscht.
Die anderen warteten schon. Sie saßen überall auf der kleinen Bühne verteilt. Man hatte die Spielfläche um die Hälfte reduziert, weil kaum Kulissen benötigt wurden. Der andere Teil der Bühne war durch einen schwarzen Vorhang abgetrennt.
Mara verließ die Bühne über ein Brett, das sie mit dem Zuschauerraum verband, und kletterte wieder in den Souffleurkasten.
Mit müde wirkenden Bewegungen standen die Schauspieler auf.
»Wir werden noch einmal den letzten Akt durchgehen«, erklärte Charles Lomax. »Sie, Clint, möchte ich bitten, die Szene anders zu spielen. Sie müssen mehr Angst vor den Frauen zeigen, das alles muß echter wirken, verstehen Sie? Nicht so fahrig, so als ob Sie sagen würden, ist ja doch nur alles Theater.«
»Klar.« Der dunkelhaarige Schauspieler nickte. Seine Augen zeigten einen müden Ausdruck.
»Beleuchter!« rief Lomax.
»Ja?«
»Bitte die Einstellung vier.«
»Okay.« Der Mann saß oben auf der Bühne, etwa fünfzehn Yards über dem Bühnenboden.
Er schaltete die beiden großen, an einer Schiene hängenden Scheinwerfer ein. Zwei gewaltige Kreise trafen den dünnen Teppich auf der Bühne.
Charles stand ganz am Rand, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schaute nach oben. »Wandern, mehr wandern. Nach rechts. Ja, so ist es gut.«
Der Kreis blieb stehen.
Beim zweiten geschah das gleiche. Charles war zufrieden. Wenn die Beleuchtung klappte, war das schon die halbe Miete.
»Jetzt du, Clint!« Charles sagte mal du, dann wieder Sie. Wie es ihm einfiel.
Clint Görden war plötzlich nicht mehr müde. Mit zwei geschmeidigen Sätzen sprang er auf die Bühne, schaute sich furchtsam um und blieb dort stehen, wo der Lichtkreis eines Scheinwerfers ihn traf.
Dann erfolgte sein Monolog. Er sprach von der Angst, die ihn gepackt hielt. Angst vor den Frauen.
Musik setzte ein. Sie kam aus der Konserve.
Im Hintergrund der Bühne entstand Bewegung. Die restlichen drei Hauptdarstellerinnen erschienen. Heute trugen sie Jeans und Pullover. Bei der Aufführung waren sie dann fast nackt.
Und jede der Frauen hielt ein Messer in der rechten Hand. Damit wollten sie den Mann töten.
Jede sollte einmal zustechen.
Der zweite Scheinwerfer wanderte auf die Frauen zu. Er kam näher und näher, erfaßte sie, und die Messerklingen blitzten auf. So täuschend echt waren sie nachgemacht worden.
Charles wischte sich über die Augen. Verdammt, sonst hatten die Klingen doch nicht so gefunkelt. Sollte das vielleicht am Licht liegen? Er unterbrach nicht, denn die drei Frauen spielten so gut wie noch nie. Ihre Gesichter zeigten einen wirklichen Haß. Man konnte die dämonische Ausstrahlung fast spüren. Sie wollten töten, das war eine schauspielerische Glanzleistung.
»Ja, das ist gut. Das ist ausgezeichnet«, rief der Regisseur und klatschte in die Hände. »Ihr seid fantastisch, macht nur weiter so.«
Er schlich mit den Frauen, ging parallel zu ihnen und behielt dabei auch Clint Görden im Auge.
Der reagierte jetzt.
Er war zusammengesunken. Jetzt fuhr er herum, sprang auf und starrte die Frauen an.
»Nein!« keuchte er. »Nein. Nie. Ich will nicht sterben.« Er sah die Messer, und sein Blick flackerte.
Die Frauen kannten keinen Pardon. »Du hast uns entehrt!« riefen sie im Chor. »Nun wirst du unsere Rache zu spüren
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