0136 - Die Feuerhexe
Feuerhexe hatte ihn ereilt. Todesmutig warf Suko sich auf den plötzlich losbrüllenden Mann. Er versuchte, mit seinem eigenen Körper die Flammen zu ersticken, doch die brannten weiter.
Ich mußte unbedingt aufs Dach und startete. »Nimm die Peitsche!« schrie ich Suko zu. »Versuche es.«
Der Chinese reagierte sofort. Wir beide waren ein eingespieltes Team. Fast konnte man die Aktionen des anderen schon im voraus erahnen.
Suko sprang auf, nahm die Peitsche, drehte damit einmal einen Kreis über den Boden, und die drei magischen Riemen verließen den Griff.
Dann schlug der Chinese zu.
Nicht fest, zudem hielt er die Peitsche noch schräg, daß der Mann nicht direkt getroffen wurde.
Und er schaffte es.
Die kleinen Flammen verlöschten. Die Kraft der Peitsche löschte sie vollends aus.
Das bekam ich nicht mit, denn ich suchte eine Möglichkeit, auf das Dach zu klettern. Dafür rannte ich um das Haus herum, und ich hatte das Glück des Tüchtigen.
An der Ostseite des Gebäudes sah ich die Leiter.
Besser konnte ich es nicht treffen. Selten in meinem Leben war ich so rasch eine Leiter hochgeklettert. Auf dem Dach schaute ich mich kurz um.
Godwina war nicht zu sehen.
Verdammt, die hatte sich aufgelöst. Klar, bevor sie ihre Rache nicht vollendet hatte, stellte sie sich auch nicht einem offenen Kampf. Das würde sie zuletzt tun.
Das Feuer brannte noch immer. Allerdings war es zusammengefallen. Nur noch schwach spürte ich die Hitze. Ascheteilchen wirbelten wie Schneeflocken durch die Luft und setzten sich auch auf meinem Gesicht fest.
Ich schritt langsam auf den Scheiterhaufen zu. Dabei sah ich den toten Savino. Das Feuer hatte ihn bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Er sah grauenhaft aus. Die Eisenketten hielten ihn noch immer an dem Pfahl fest, obwohl er zusammengesunken war. Von seinem Gesicht erkannte ich nichts mehr.
Wenig später machte ich die nächste schaurige Entdeckung. Die zweite Leiche lag unter den Ascheresten des verbrannten Reisigs.
Ich wußte nicht, wer dieser Tote gewesen war und was er mit dem Fall zu tun gehabt hatte. Vielleicht würde ich es auch nie erfahren.
Ich fühlte mich elend und schlecht. Wiederum war mir die Hexe zuvorgekommen. Sie hatte ihre bessere Ausgangslage eiskalt ausgenutzt, denn sie wußte genau, wo sie ihre Opfer finden konnte, während wir ihnen hinterherrannten.
Das Dach war nicht durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogen worden. Es bestand aus Beton und brannte nicht. Ich ging wieder zurück.
Und da schlug die Hexe erneut zu.
Als ich der Dachkante bereits ziemlich nahe war, brauste ein Sturmwind heran. Er kam mit ungeheurer Wucht. Ich hörte den Sturm und reagierte, bevor er mich packte.
Ich warf mich einfach hin, um diesem Wind so wenig Widerstand wie möglich entgegenzusetzen.
Das war auch gut so, denn der Sturm zerrte zwar an meiner Kleidung, versuchte mich auch zu fassen, aber er hob mich nicht hoch oder schleuderte mich über das Dach.
Ich blieb liegen.
Es war ein verzweifelter Kampf, den ich gegen den Wind führte.
Es kam mir vor, als würden zahlreiche Hände an meinem Körper zerren. Der Wind wühlte auch den verbrannten Reisig auf und schleuderte ihn auf mich zu. Das Zeug war noch heiß. Ein Ascheregen fiel über mich.
Ich schützte meinen Kopf, so gut es ging. Der scharfe, beißende Geruch drang mir in den Mund, reizte die Schleimhäute, ich keuchte und spuckte, hustete mich frei.
Dann versuchte ich wegzukriechen, schaffte es aber nicht. Dafür nahm ich mein Kreuz in die rechte Hand, hob es hoch, wollte es gegen den Wind halten, brauchte es jedoch nicht.
Der Sturm flaute plötzlich ab. Ich konnte mich zum Glück wieder völlig normal bewegen.
Ich kam ächzend auf die Füße, schüttelte mich wie ein nasser Hund, und die Asche fiel vom meinem Mantel. An vielen Stellen hatte sie sich auch festgebrannt. Den Mantel konnte ich wegwerfen.
Das ging alles auf Yard-Spesen.
Lachen schallte mir entgegen. Es schien aus der Unendlichkeit zu kommen, so weit entfernt hörte es sich an, doch ich wußte genau, daß sich die Hexe in der Nähe befand.
»Zeig dich!« schrie ich.
»Bald, Sinclair, bald. Ich hole mir nur noch den dritten, dann bist du an der Reihe!«
»Warum nimmst du mich nicht zuerst, wenn du so sicher bist, daß du mich schaffst?«
»Weil es nicht in meinen Plan paßt!«
»Nein, du bist feige!«
Sie lachte nur.
Suko rief: »Bist du okay, John?«
»Ja, einigermaßen.«
»Soll ich dir helfen?«
»Nein, ich schaffe es schon.«
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