0136 - Die Feuerhexe
sprang sie auf und preßte beide Hände entsetzt gegen ihr Gesicht. Sie war zu keiner anderen Reaktion fähig, nicht ein Wort drang über ihre Lippen.
Auch die anderen beiden Frauen rührten sich nicht. Sie schauten auf die Klinge, die ihre Kollegin in den Bühnenboden gerammt hatte.
Ein echtes Messer!
Es hätte Clint Görden getötet.
Der lag auf dem Rücken und wälzte sich jetzt langsam herum. Er zitterte, sein Gesicht war schweißnaß, fahrig wischte er sich über die Augen.
Dann schaute er die Schauspielerin an. Sein Blick schien sich in ihre Augen zu bohren, wollte sie durchdringen und in den letzten Gehirnwinkel eindringen.
»Woher hast du das Messer?« flüsterte er, sich vorsichtig aufsetzend. »Woher, verdammt?« Die letzten beiden Worte schrie er hinaus, schleuderte sie der jungen Schauspielerin ins Gesicht. »Sag es mir! Sag es!« Er sprang auf, packte sie an beiden Schultern und schüttelte sie durch. »Sag es mir. Sag mir, warum du mich umbringen wolltest! Ich will es wissen. Jetzt und vor Zeugen!«
Das Gesicht der Frau verzerrte sich. »Nein!« keuchte sie. »Nein und nein. Ich kann nichts dafür. Ich weiß es nicht. Wirklich, du mußt mir glauben, Clint. Ich habe das Messer genommen, und da…« Sie holte tief Luft, »da war es noch völlig normal. Wirklich …«
»Lüg mich nicht an, du Weibsbild! Lüg mich nicht an, verdammt!« kreischte Clint Görden. »Sag die Wahrheit. Sag mir, warum du mich töten wolltest!«
»Ich – wollte – dich – nicht – töten!« Jedes einzelne Wort betonte die Frau, dann erstickte jedoch ihr Sprechen, weil sich die Hände des Mannes um ihren Hals legten.
Das war Charles Lomax zuviel. Bisher hatte er steif dagestanden und nichts begriffen. Unwillkürlich dachte er an das Blut in seinem Kaffeebecher. Er wußte selbst nicht, wie er darauf kam, aber dieser Vorfall hier war ebenso rätsel- und grauenhaft wie der erste.
Deshalb die gedankliche Verbindung.
Er sprang plötzlich vor, lief an den beiden wie erstarrt dastehenden Schauspielerinnen vorbei und grub seine Finger in Clint Gördens Schultern.
»Laß sie los!« schrie er. »Nein!« Görden hörte nicht.
Da schlug der Regisseur zu. Er klatschte dem Mann die flache Hand ins Gesicht.
Görden zuckte zusammen, sein Kopf flog nach rechts, er löste tatsächlich den Würgegriff, ging zwei Schritte zur Seite, blieb stehen und streckte beide Arme aus, wobei er zusätzlich noch die Finger spreizte.
»Ihr habt was gegen mich. Ihr wollt mir alle an den Kragen. Ihr wollt mich töten!«
Er brüllte so laut, daß seine Stimme im Zuschauerraum ihr schauriges Echo fand.
»Niemand will dich töten«, redete Charles Lomax mit ruhiger Stimme auf den Mann ein. »Wirklich niemand.«
»Doch, ihr…«
»Nein, Clint.«
Görden schluchzte auf und vergrub sein Gesicht in beide Hände.
Er stand da wie Jill, die er hatte erwürgen wollen.
Auch Mara hatte es in dem Souffleurkasten nicht mehr ausgehalten. Sie war auf die Bühne gelaufen und hatte die letzten Szenen mitbekommen. Mara fand ebenfalls keine Erklärung.
Peinliches Schweigen breitete sich aus. Auch die restlichen beiden Schauspielerinnen – kreidebleich im Gesicht – hatten ihre Arme sinken lassen. Die Messer hielten sie noch immer fest.
Maras Blick fiel auf die Klinge, die in dem Bühnenboden steckte.
Oder stecken sollte.
Das war nicht mehr der Fall.
Das Messer lag auf dem Bühnenboden. Es war aus dem Spalt gerutscht. Maras Augen wurden groß. Sie lief hin und hob das Messer auf. Ungläubig schaute sie die Waffe an und sagte: »Die Klinge, die – die ist ja aus Gummi…«
***
Die Worte tropften in die Stille. Sie wirkten fast ebenso schockartig wie der Fast-Mord auf der Bühne.
»Ja, sie ist aus hartem Theatergummi, wie wir doch immer sagen.« Maras Stimme klang ein wenig schrill. Die Souffleuse hielt das »Messer« hoch, nahm die Spitze zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand und bog sie durch.
»Da, das ist die gefährliche Waffe«, sagte sie.
Jetzt untersuchten auch die beiden anderen Schauspielerinnen ihre Messer.
Sie sahen ebenso aus.
»Die ganze Aufregung war also umsonst«, stellte Mara nüchtern fest.
»Nein, die war nicht umsonst.« Clint Görden mischte sich ein.
»Ich habe genau gesehen, daß sie ein richtiges Messer in der Hand gehalten hat. Und die Klinge hat auch im Licht der Scheinwerfer ganz anders gefunkelt. Ihr habt es doch selbst gesehen, verdammt. Ihr seid meine Zeugen. Ich – ich werfe mich schließlich nicht umsonst
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