0137 - Luzifers Ende

verlieren…«
    Sie gingen zum Wagen. Am Himmel glommen als winzige Lichtpunkte die ersten Sterne auf. Und in den Tiefen seines Unterbewußtseins spürte Zamorra die heranbrandende Aura des Teuflischen. Die Sphäre des Grauens, das über Quiberon aus dem Meer kroch und sich über das Land ausbreitete, wieder ein Stück weiter.
    In dieser Nacht aber würde die Entscheidung fallen.
    Bevor Zamorra den Anlasser des Wagens betätigte, warf er noch einen Blick auf das Amulett, das er offen über dem Hemd hägen hatte.
    Dort, wo sonst der Durdenfuß zu sehen war - glomm jetzt grünlich ein Totenschädel…
    ***
    Der Gehörnte bereitete sich sorgfältig vor. Er wußte nur zu gut, was für ihn davon abhing, daß sein Plan auch in der letzten Phase gelang. Er wollte nicht sterben. Jahrtausende hatte er schon gelebt und wollte weitere Jahrtausende leben. Deshalb…
    Und er durfte das Tiefsee-Monster nicht unterschätzen. Die Lebenskräfte, die er sich aneignen wollte, waren gewaltig. Das Ungeheuer durfte keine Chance erhalten, diese Kräfte seinerseits einzusetzen. In dem Moment, in welchem das Ungeheuer sich auf sein Opfer stürzte, mußte er zuschlagen. Fressende Tiere - denn nichts anderes als ein Tier sah er in dem dunklen Geschöpf - waren wehrlos, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, auf welche Weise das Fressen bei diesem Quallen-Hai-Oktopus vonstatten gehen sollte.
    Wieder würde die halbenergetische, transparente Kugel das Opfer in sich bergen, diesmal aber nicht in Meeres-Tiefen und nur zur Begutachtung, sondern inmitten der Menhire, die die derzeitige Operationsbasis des Gehörten waren. Das Ungeheuer mußte an Land kommen und inmitten seiner Panik-Strahlung sich der Kugel nähern. Damit begab es sich aber zugleich in die Macht-Sphäre des Uralten. Dann würde er zuschlagen.
    Was aus seinem Köder wurde, interessierte ihn nicht.
    Der Alte versenkte sich für zwei Stunden in Meditation, um neue Kräfte für sein Unternehmen zu aktivieren. Je weiter sein Zerfallsprozeß fortschritt, desto öfter waren solche Regenerationsphasen notwendig, weil er sonst schon bald zu geschwächt wäre, mit seinen magischen Kräften auch nur ein Zündholz zum Aufflammen zu bringen.
    Aber das würde ja bald anders werden, sehr bald schon…
    Von dieser Nacht an!
    Da traf ihn von irgendwoher ein Para-Impuls: Überschätze dich in deinem Können nicht, Bastard!
    Er fuhr zusammen. Wer hatte ihn da gerufen? Zamorra? Dessen Impulse waren anders, das spürte er. Aber er kannte den Ursprung der Gedankenbotschaft… sollte Yann nach Jahrhunderten wieder einmal Kontakt mit ihm aufgenommen haben?
    Doch Yann meldete sich kein zweites Mal.
    Da beschloß der Gehörnte, seinen Plan programmgemäß durchzuführen. Nichts konnte ihn mehr aufhalten.
    Es war soweit.
    Er sandte den Ruf aus, und der Gerufene antwortete.
    Er kam!
    Jetzt mußte die Falle gestellt werden.
    ***
    »Was ist das?« fragte Zamorra verblüfft und starrte auf den Totenschädel, der ihn grünlich aus dem Zentrum des Amuletts anstarrte. Doch es war nicht ein einzelner Schädel, sondern irgendwie eine Projektion eines ganzen Knochenmannes. Wenn Zamorra das Amulett in einen bestimmten Winkel brachte, konnte er unter dem Schädel die Schulterpartie des Knochenmannes deutlich erkennen.
    Bills Augen wurden schmal. Der Historiker schob angriffslustig das Kinn vor.
    »Wieder ein Trick unseres Freundes Yann?« stieß er hervor.
    Doch Zamorra schüttelte langsam den Kopf. Er glaubte plötzlich zu begreifen, was diese Manifestation des Unheimlichen zu bedeuten hatte. In diesem mythenumwobenen Landstrich war offenbar viel mehr aus der Sagen-und Legendenwelt wirklich und lebendig, als man sich je träumen lassen konnte.
    Aus dem Amulett starrte ihn Ankou entgegen!
    Ankou, der Sensenmann, dessen Erscheinen stets den Tod ankündigte, aber wollte der Sensenmann wirklich Zamorras Tod? Sein Erscheinen widersprach in dieser Art allen Gepflogenheiten.
    Ankous knöcherne Kiefer bewegten sich. Es war, als spreche der Sensenmann einen Namen aus, doch kein Ton klang auf. Lautlos schloß sich der Mund wieder, und ganz langsam begann Ankou zu verblassen.
    Zamorra nagte an der Unterlippe. War es eine Warnung, eine Ankündigung - und was bedeutete sie? Was hatte ihm der Knöcherne mitteilen wollen?
    Zamorra begriff nur, daß in dieser Nacht Freund Hein sein Opfer holen würde. Er hatte Ankou gesehen, aber nicht körperlich vor sich, sondern als Abbild im Amulett!
    Was bedeutete das?
    Sollte er sterben -