0137 - Luzifers Ende
bricht bald die Dunkelheit herein. Dann wird jener kommen, dem du bestimmt bist, und hilflos in meine Falle tappen, während er mit dir beschäftigt ist…«
»Das Ungeheuer?« fragte sie mit weitaufgerissenen Augen.
»Ja!«
Es klang wie ein Schuß.
Nicole schrie auf. Wollte er sie quälen, der Gehörnte?
»Du Ungeheuer«, fauchte sie ihn an. In ihr wurde der Mut, die Tollkühnheit, plötzlich übergroß, und mit einem wilden Satz sprang sie ihn an. In diesem Moment wirkte er auf sie wie eine sterbende, zerbrechliche Gliederpuppe.
Doch er war anders.
Er bewegte nur zwei Finger, kreuzte sie übereinander in der Art der Hexer und Zauberer.
Der Blitzstrahl traf Nicole und erwischte sie mitten im Sprung. Wie gelähmt erstarrte sie mitten in der Bewegung und stürzte zu Boden. Hilflos lag sie vor dem Ungeheuer in Menschengestalt und konnte plötzlich aus dieser Perspektive seine Teufelshörner deutlich erkennen.
»Wie eine Sklavin zu meinen Füßen«, sagte er heiser. »Wie in den alten Zeiten des glorreichen Lemurias… damals hätte ich Freude an dem Anblick gefunden, denn du bist schön… gefährlich schön«, murmelte er. »Doch heute sehe ich in dir nur das Opfer, den Köder, Steh wieder auf.«
Seine Worte genügten.
Nicole vermochte sich wieder zu bewegen. So rasch sie konnte, erhob sie sich und brachte ein paar Meter Distanz zwischen sich und den Unheimlichen. »Wer bist du? Oder besser: was bist du?«
»Du fragtest es schon einmal«, sagte er leise. »Kein Dämon. Vielleicht findest du es selbst heraus, was ich bin. Doch die Zeit ist nicht mehr lang. Noch zwei Stunden, -Nicole Duval… willst du wieder die Sekunden zählen?«
Im nächsten Moment gab es ihn in der Grotte nicht mehr. Spurlos war er verschwunden, und die geschlossene Tür war wieder durch das magische Abwehrfeld gesichert. Erst in diesem Moment fiel Nicole auf, daß er mit seinen Füßen den Boden nicht ein einziges Mal berührt hatte.
Leicht zitternd ließ sie sich wieder auf der Pritsche nieder.
Noch zwei Stunden…
Was würde geschehen? Wie würde er sie dem Ungeheuer opfern? War er nicht selbst ein Ungeheuer?
Ein sterbendes Ungeheuer mit Hörnern - ein sterbender Luzifer!
Doch die Chance, daß er innerhalb dieser zwei Stunden starb, war eins zu einer Milliarde.
Wie in alten Zeiten des glorreichen Lemurias, hatte er gesagt. War er wirklich so unsagbar alt?
Weiter verrann die Zeit.
Drohend, gefährlich, zäh tropfend, Und die Tropfen der Zeit fielen immer schneller.
Die Zeit begann zu rasen…
***
Während sie auf den Einbruch der Dunkelheit warteten, versuchte Zamorra über sein Amulett, Yann zu erreichen. Der Zauberer ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Für Zamorra war er ein unbekannter Faktor in der Gleichung, den er nach Möglichkeit entweder bestimmen oder ausschalten wollte. Solange er nicht wußte, was es wirklich mit Yann auf sich hatte und auf welche Weise er mit den Ereignissen verknüpft war, fühlte er sich unbehaglich und unsicher.
Doch der Zauberer antwortete ihm nicht.
Die Dämmerung setzte ein. Es würde bald rasch ganz dunkel werden. Zamorra erhob sich von dem Stuhl, auf dem er mit Bill und dem Wirt, der momentan keine anderen Gäste beherbergte, im Freien saß. Auch an der Theke, an der sonst um diese Zeit reger Betrieb herrschte, befand sich niemand. Die Vorahnung des Kommenden ließ die Menschen in ihren Häusern bleiben.
»Und - Sie wollen es wirklich wagen, Monsieur Zamorra?« fragte LeBreuic heiser. Der Professor nickte.
»Nehmen Sie sich in acht«, raunte der Wirt. »Bald ist es soweit. Er ruft das Grauen wieder, hören Sie es nicht? Für mich wird es Zeit, mich sicher hinter massiven Wänden zu verbergen. Mögen die Heiligen Sie beschirmen…«
Er wandte sich ab und verschwand hastig. Im nächsten Moment klappten Türen und Fensterläden zu.
Zamorra stand abwartend da und dachte nach. Sympathie und Wärme hatten in den Worten LBreuic mitgeklungen. Empfand LeBreuic wirklich so tiefe Sorge um die beiden Männer?
Erruft das Grauen wieder, hören Sie es nicht?
Zamorra lauschte in sich hinein. Seine telepatischen Sinne nahmen ganz schwach, unhörbar fast den Lockruf des Unheimlichen auf. Ein Wunder, daß auch LeBreuic darauf angesprochen hatte, aber das mochte daran liegen, daß die Menschen der Bretagne dem Übersinnlichen offenbar gegenüberstanden als andere Menschen…
Der Meister des Übersinnlichen nickte seinem Freund auffordernd zu. »Komm, wir sollten jetzt keine Zeit mehr
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