0138 - Flucht in die Schädelwelt
Buchstaben tanzten vor seinen Augen. Als er den Artikel gelesen hatte, fiel die Zeitung zu Boden. Cecil Turner beugte sich nach vorn. Beide Hände schlug er vor sein Gesicht.
Ein Mörder! Du bist ein Mörder! hämmerte es in seinem Schädel.
Du hast den Mann umgebracht!
Minutenlang blieb er so sitzen. Nur sein keuchender, fast schluchzender Atem durchbrach die Stille in der Wohnung. Er stöhnte schließlich auf und ließ die Arme sinken. Sein Gesicht zeigte Flecken. Die Polizei, dachte er. Sie wird dich finden. Sie werden bald vor der Tür stehen, klingeln und dich verhaften.
Er lief zum Fenster.
Draußen war es schon längst dunkel geworden. Es ging auf den Abend zu. Die meisten Menschen saßen zu Hause und schauten in die Glotzkiste. Und er stand hier und war allein mit seinen quälenden Gedanken.
Schlimm, sehr schlimm…
Er hörte die Geräusche aus dem Treppenhaus. Schritte, die kurz vor seiner Tür stoppten und sich dann verloren.
Turner atmete auf. Mit dem Handrücken wischte er sich über die schweißnasse Stirn. Dann betrat er das kleine Bad, beugte sich über das Waschbecken und goß Wasser in sein Gesicht.
Es erfrischte ihn ein wenig.
Tief atmete er durch. Er mußte erst einmal einen klaren Gedanken fassen und rief sich den Artikel wieder ins Gedächtnis zurück. Da hatte nichts gestanden, was auf einen Mörder hinwies. Die Polizei schien noch keine Spur zu haben.
Sollte ihm etwa das Glück hold sein?
Mit einem flauschigen Handtuch trocknete er sich das Gesicht ab und verließ das Bad.
Mitten auf dem Tisch im Wohnraum stand die Kassette. Er hatte sie zugeklappt, aber das Sigill des Teufels schien ihn dauernd anzustarren.
Neben dem Tisch blieb Cecil Turner stehen.
Da hörte er wieder die Stimme, »Öffne den Deckel, Cecil!«
Er gehorchte.
Turner erschrak, als er die Augen des Schädels sah. Sie strahlten in einem intensiven Rot. So stark hatte er es noch nie gesehen. Das war direkt schaurig, und er schüttelte sich.
»Laß den Deckel offen, Cecil!«
Er tat, was man ihm anwies.
»Aber ich bin ein Mörder«, flüsterte er.
»Nein, du bist es nicht. Du mußt das anders sehen. Er war unser Feind. Er hätte dich erbarmungslos ausgeliefert. Du wärst der Polizei in die Hände gefallen. Aber sie wird den Mord nie aufklären. Dafür sorge ich. Du kannst beruhigt in die Zukunft schauen.«
»Wirklich?«
Ein leises Lachen. »Wenn ich es dir sage, ja.«
Cecil Turner atmete auf. Doch Asmodina war noch nicht fertig.
Sie hatte weiterhin etwas zu sagen.
»Ich möchte dir raten, den Fernsehapparat einzustellen. Dort läuft eine Sendung, die dich sicherlich interessieren wird. Du wirst einen zweiten Verbündeten finden. Lionel Barry.«
»Den Star?«
»Ja. Auch er steht auf meiner Seite. Und wenn die Sendung beendet ist, wirst du Barry einen Besuch abstatten, aber vergiß nicht, den Schädel mitzunehmen.«
»Nein, nein.«
»Bald sehen wir uns wieder. Immer daran denken.«
Die Stimme verstummte, und Cecil Turner atmete tief durch. Ein Großteil seiner Angst und der Gewissensbisse waren ihm genommen worden. Die Bullen würden ihn nicht finden. Niemals. Dafür sorgte schon seine unheimliche, aber so faszinierende Beschützerin.
Sie hatte die Macht über ihn, und er ging zum Fernsehapparat und schaltete ihn ein.
Die Sendung lief bereits.
Er sah Lionel Barry, einen Star, den er insgeheim immer bewundert hatte. Wie locker er dort saß, als würde ihm die ganze Welt gehören. Und mit dem sollte er, Cecil Turner, Kontakt aufnehmen?
Cecil atmete tief durch.
Dann wurden seine Augen groß, denn er hatte die Kassette auf Barrys Knien entdeckt.
Das war die gleiche, wie er sie hatte!
Plötzlich spürte Cecil wieder die Hektik in seinem Innern. Aber diesmal war es eine andere, nicht aus der Angst geboren, sondern eine regelrechte Erwartung. Er wußte, daß er nun einen Verbündeten besaß, er stand nicht mehr allein auf der Welt…
Cecil lachte auf.
Lionel Barry scheute sich tatsächlich nicht, auch die Kassette in der Öffentlichkeit zu zeigen, und er hob sogar den Deckel an.
Da lag der Totenkopf.
Cecil Turners Augen leuchteten. Es war der gleiche Kopf, wie er ihn auch hatte. Sie unterschieden sich überhaupt nicht. Und Barry war mit seiner Demonstration noch nicht am Ende. Er redete weiter. Er erzählte von Asmodina, seiner Herrin. Sie war seine Geliebte, seine Angebetete…
Seltsamerweise empfand Cecil nicht einmal Eifersucht. Er wußte, daß solch eine Person nicht einem allein gehören konnte.
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