0139 - Im Land des Vampirs
sitzen, das sich kämmte und eben durch ihre Blöße die Schiffer ablenkte, deren Boote dann an den aus dem Wasser ragenden Felsen zerschellten.
Ich sah kein blondes Mädchen, nur ein schwarzhaariges. Und das hieß Ilona.
Ich nahm neben ihr Platz.
Wir schauten auf das Wasser und hinüber zu den Burgen. Besonders die größte interessierte mich. Die gehörte dem Grafen Fariac.
Dort brannten die meisten Lichter. Vielleicht feierte er gerade ein Fest.
»Sie interessiert dich«, sagte Ilona.
Ich nickte.
»Der Graf ist sehr gefährlich. Wir dürfen hier nicht lange sitzen bleiben, dann wird er kommen.«
»Er kann uns nicht sehen.«
»Vampire können auch im Dunklen sehen.«
»Du glaubst daran?«
»Ja. Ich habe sie schon gesehen. Riesige Fledermäuse fliegen durch die Luft und nähern sich dem bleichen Mond. Ich habe mich immer verkrochen und heftig gebetet. Mein Vater hat Knoblauch vor den Wagen gehängt. Sie sind abgeschreckt worden.«
Der Vampirglaube ist uralt. Vieles war natürlich Einbildung, manches jedoch nicht. Ich zweifelte kaum an den Worten des Mädchens, denn oft genug hatte ich selbst gegen die verdammten Blutsauger gekämpft.
»Weißt du eigentlich, wie ich in die Burg hineinkommen kann?« fragte ich.
Bis jetzt hatte sie in das Rheintal geschaut, doch nun drehte sie hastig den Kopf. Aus ihren großen, verschreckten Augen schaute sie mich an. »Du willst in die Burg?«
»Ja, wenn ich dort Fariac treffen kann.«
»Aber das ist unmöglich. Er würde dich sofort töten, wenn er dich in die Hände bekommt.«
»Dazu gehören zwei, wie man bei uns zu Hause so schön sagt. Erst einmal muß er mich haben. Und so weit ist es noch nicht, meine liebe Ilona.«
»Fariac hat jeden bekommen.«
»Auch deinen Bruder?«
Sie hob die Schultern. »Vater redet nicht gern darüber, obwohl er es unter Umständen ahnt. Deshalb sind wir auch hier. Er sucht seinen Sohn.«
»Und wenn er ihn findet?« hakte ich nach.
»Will er ihn pfählen.«
»Womit?«
»Er besitzt einen Eichenpfahl. Ihn trägt er immer bei sich und hütet ihn wie einen kostbaren Schatz.«
Mir rann bei den Worten des Mädchens ein Schauer über den Rücken.
Doch kein Schauer der Angst, sondern der Ehrfurcht. Ilona sprach von einem Pfahl. Auch Marek, der Pfähler, hatte solch einen Eichenpfahl gehabt. Zum Schluß bekam ich ihn dann, und durch diesen Pfahl starb Kalurac. Aber der Pfahl löste sich mit dem Vampir auf. In der Gegenwart existierte er nicht mehr, doch in der Vergangenheit war er noch vorhanden.
Das Zeitgefüge machte es möglich.
»Woran denkst du jetzt?« fragte Ilona lächelnd und rutschte etwas näher an mich heran. »Ich friere…«, sagte sie.
Den Wink verstand ich. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern und sah das stille Lächeln auf ihren Lippen.
»Fühl mal, wie mein Herz klopft«, flüsterten ihre Lippen dicht an meinem Ohr.
Ich beugte ein wenig den Kopf. Dabei fuhr ich mit der rechen Hand über den Stoff der Bluse, fühlte zwangsläufig die jugendlich feste Brust und ließ meine Hand dicht darunter liegen.
Ilona erschauerte.
Ihr Herz klopfte tatsächlich schneller.
»Das macht deine Nähe«, raunte sie. »Bei Zigeunern fließt das Blut sowieso schneller durch die Adern. Nicht umsonst sagt man, daß wir heißblütig sind.«
Das war sie in der Tat.
Da sich mein Gesicht schon dicht vor dem ihren befand, kam alles ganz zwangsläufig. Bereitwillig öffnete sie die Lippen zu einem Kuß. Ich preßte sie an mich, spürte die Wärme des Körpers, und meine Hände waren überall.
»John!« hauchte sie und beugte sich zurück, um sich auf den Boden zu legen.
Ich weiß auch nicht, wie es kam, aber mein Blick flog plötzlich zu dem vorspringenden Loreley-Felsen hin.
Wie ein Blitzstrahl zuckte ich hoch.
»Was ist denn?« fragte Ilona. Sie war völlig durcheinander. Der Zauber war verflogen.
Ich deutete nach vorn.
Da sah sie es auch.
Auf dem Felsen hockte, im Gegenlicht des Mondes deutlich zu erkennen, eine riesige Fledermaus.
Ein Vampir!
***
»O nein«, stöhnte Ilona und schlug hastig ein Kreuzzeichen. »Das ist der Graf.«
Ich wußte es, daß ich Fariac vor mir hatte. Er hatte die gewaltigen Flügel ausgebreitet, und es sah so aus, als würde er jeden Moment losfliegen.
»Ich habe es geahnt«, jammerte Ilona. »Ich habe es geahnt. Er hat uns gesehen.«
Das war fraglich. Schließlich lag eine Flußbreite und noch mehr zwischen uns.
Sie nahm meine Hand und stand auf. »John, Liebster, wir müssen weg.
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