0139 - Im Land des Vampirs
waren sehr schlimme Augenblicke. Aber was sind Schwarze oder Rote?«
Da war ich mit meinem Latein am Ende. Ich wollte schon Neger oder Indianer sagen, aber damit konnte er nichts anfangen.
»Es gibt Menschen, die haben eine dunkle Hautfarbe«, formulierte ich.
»Ja, davon habe ich gehört. Und auch gesehen. Auf einem Sklavenmarkt im fernen Orient habe ich einmal Menschen mit dunkler Hautfarbe erlebt. Und es gibt auch welche, die eine rote Haut besitzen?«
»In einem großen Land.«
»Wo liegt es?«
»Sehr weit weg.«
»Hast du es gesehen?«
»Ja.«
»Wie heißt es?«
»Amerika.«
Damit konnte Marek nichts anfangen. Er hob nur die Schultern, das Thema war für ihn erledigt.
Ich sprach weiter. »Diese Reiter, die euch aus dem Dorf geworfen haben, zu wem gehörten sie?«
»Nicht zum Grafen Fariac. Es sind Soldaten, versprengte Söldner, die sich im Dorf eingenistet haben und die Menschen in Angst und Schrecken halten.«
»Ilona haben Sie nichts getan?«
»Noch nicht. Aber sie werden wiederkommen. Sie mußten an diesem Abend Steuern eintreiben, die Bauern werden ihnen nicht viel geben können. Sie trinken dann vom Wein und sind schnell berauscht.«
Wie sich die Bilder glichen. Auch in unserer Zeit wurde getrunken. Vielleicht mehr als damals.
Marek drehte den Hasen herum. »Mein Weib ist von marodierenden Söldnern geschändet und ermordet worden«, erzählte er mit leiser Stimme. »Als wir kamen, war es zu spät. Mein Sohn befand sich nicht unter den Trümmern des brennenden Hauses. Wo er ist, das weiß ich nicht.«
»Aber du hast einen Sohn?« hakte ich nach.
»Ja.« Erstaunt schaute er mich an. »Warum fragst du? Glaubst du, daß er tot ist?«
»Nein, nein.«
»Sondern? Sag es, du weißt etwas.«
Zum Glück kam das Mädchen zurück, und ich konnte mich um eine Antwort drücken.
Ihre Eimer waren noch voll. Ich sprang auf und nahm ihr einen ab. Dann zog ich meinen Mantel aus und hängte ihn über den Kutschbock, Marek hatte also einen Sohn, und der würde sicherlich auch einen Sohn bekommen, der ebenfalls, und so reichte die Kette bis zu Marek, dem Pfähler.
Wahrheit, Gedankenspielerei?
Niemand konnte mir darauf eine Antwort geben.
Das Mädchen blieb neben mir stehen. »Du mußt dich schon mit einem einfachen Mahl begnügen«, sagte es. »Wir haben nichts anderes.«
»Es wird mir schmecken.«
Sie strahlte mich an. Danach holte sie das Geschirr vom Wagen.
Irdene Töpfe und Teller. Ich mußte mit einem Besteck aus Holz essen, und Stephan Marek teilte den halben Hasen in drei Stücke.
Jeder bekam etwas.
Ich als Gast zuerst.
Der Alte aß mit den Fingern, wie es üblich war. Auch das Mädchen nahm kein Besteck. Nur mir hatten sie aus unerfindlichen Gründen Messer und Gabel gegeben.
Ich aß jedoch wie die anderen, und es klappte.
Das Fleisch schmeckte mir sogar. Es war mit einem anderen Salz behandelt, als ich es kannte. Den Durst löschten wir mit Quellwasser.
Der Alte nagte das Hasenfleisch von den Knochen wie ein Sägefisch. Das ging ruckzuck, fertig war er und schleuderte die Knochen hinter sich.
Ilona und ich aßen langsamer. Wir saßen uns gegenüber, hin und wieder trafen sich unsere Blicke.
Das Mädchen lächelte.
Schließlich hatte auch ich meine Portion vertilgt und schleuderte die Knochen weg. Automatisch griff ich zu den Zigaretten. Stephan Marek bekam große Augen, als er die Stäbchen sah.
»Was ist denn das?« fragte er.
»Zigaretten.«
»Kenne ich nicht.«
Ich bot ihm ein Stäbchen an. Er steckte es sich ebenso zwischen die Lippen wie ich. Als ich dann mein Feuerzeug aufflammen ließ, zuckte er zurück.
»Teufelsspuk!«
»Nein, nur ein Feuerzeug.«
Ich machte es ihm vor und zündete mir eine Zigarette an. Dann erst traute er sich.
Nach einigen Zügen schüttelte er den Kopf. »Schmeckt nicht«, erklärte er mir. »Zu leicht.«
Das hätten unsere Gesundheitsapostel mal hören sollen. »Erzähle mir etwas von diesem Grafen.«
»Fariac?«
»Ja.«
»Wir wissen nicht viel, weil wir auch fremd sind. Wir sind erst vor kurzer Zeit in dieses Land am großen Strom gekommen.«
»Was hat euch hergetrieben?« wollte ich wissen.
»Ich suche meinen Sohn«, erklärte der Alte. »Erst wenn ich über sein Schicksal Bescheid weiß, kann ich ruhig sterben.«
»So darfst du nicht reden, Vater!« mischte sich Ilona ein.
»Es stimmt doch.«
Ich stellte bewußt eine provozierende Frage. »Hat er etwas mit dem Grafen zu tun?«
Stephan Marek schaute auf. »Nein!« rief er laut.
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