0139 - Im Land des Vampirs
seine Flügel aus, um zu flüchten, doch er hatte nicht mehr die Kraft dazu.
Wild schlug er um sich, und ich wurde getroffen, als ich mich zur Seite warf. Der Schlag war hart, der meinen Rücken traf. Daran merkte ich, welche Kraft der Blutsauger hatte.
Ich prallte zu Boden und überschlug mich dabei. Dabei gab ich mir noch etwas mehr Schwung, damit ich aus dem unmittelbaren Bereich der schlagenden Flügel kam.
Die Fledermaus zuckte im Todeskampf. Sie schlug wild mit ihren Schwingen. Der Boden wurde aufgewühlt. Grassoden flogen herum, aus dem weit aufgerissenen Maul der Bestie drangen krächzende Schreie.
Ich kümmerte mich nicht um den Vampir. Er war erledigt, doch es gab noch einen zweiten.
Mit dem beschäftigte sich der alte Marek. Ich brauchte nicht mehr einzugreifen, aber ich sah, mit welch einem Haß der Mann gegen die Bestie kämpfte.
Er hatte den Pfahl, sprang vom Wagen auf die Wiese und rannte dem Blutsauger entgegen.
»Komm her!« schrie er. »Du Bestie! Ich werde dich töten. Der Teufel soll seine Freude an deiner schwarzen Seele haben!« Er lachte wild, gab nicht acht, bekam einen Flügelschlag mit, fiel zu Boden und rollte sich auf den Rücken.
Verdammt, der Vampir hatte es doch geschafft.
Ich startete.
Nicht mehr nötig. Marek war nicht zu bremsen. Er riß den rechten Arm hoch. Der Pflock in seiner Hand schien förmlich zu explodieren, mit solch einer Wucht stieß er ihn dem Vampir genau ins Herz. Die Bestie fiel über ihn. Ich hörte Marek wütend schreien, aber das Untier hatte keine Kraft mehr. Der Alte konnte unter ihm hinwegkriechen. Ich brauchte nicht zu helfen.
Marek stand auf. Er spie auf den vergehenden Vampir und schaute mich aus blitzenden Augen an.
Er sagte kein Wort, atmete nur schwer, und ich verstand, warum Frantisek Marek, der Pfähler genannt, damals solch einen Haß auf die Blutsauger hatte. Das mußte in der Familie liegen und lag in der Erbmasse begründet.
Zurück blieb Staub.
Bei beiden…
Stephan Marek nickte mir zu, während seine Tochter aus dem Wagen schaute und beide Hände gegen ihre Wangen gepreßt hatte.
Ich lächelte. »Es waren nur zwei«, sagte ich.
»Leider.«
Fast gleichzeitig steckten wir unsere Eichenpfähle weg. Mit beiden Füßen trat Marek in den Staub. Kleinere Knochen zerknirschten unter seinen Tritten.
Dann kam er zu mir, streckte seine Hand aus, und ich schlug ein.
»Der Himmel hat dich geschickt, John Sinclair. Du bist ein furchtloser Kämpfer. Viele Leute reden nur von Vampiren, doch ich habe dich gesehen. Es scheint nicht dein erster Vampir gewesen zu sein, den du erledigt hast?«
»Nein, auch in meiner Zeit gibt es diese Blutsauger.«
Stephan Marek nickte. »Ja, John, ich glaube dir jetzt, daß du aus einer anderen Zeit kommst. Vielleicht kannst du mir etwas darüber erzählen.«
»Gern.«
Zuvor jedoch suchten wir die nähere Umgebung der Lichtung ab.
Kein Blutsauger hielt sich dort versteckt. Als wir wieder an den Wagen traten, sah ich, daß Ilona ihre Perlenkette gegen ein kleines goldenes Kreuz vertauscht hatte.
Das war gut.
Dann berichtete ich. Und ich erzählte auch von Frantisek Marek, dem Pfähler.
Stephans Augen wurden groß. Mehr als einmal rann ein Schauer über seinen Körper.
Er stellte kaum Zwischenfragen und nahm es hin, daß ich aus der Zukunft kam.
Ich bat um den Eichenpflock.
Er gab ihn mir.
Genau schaute ich ihn mir an. »Ja«, sagte ich dann, »das ist die Waffe, mit der ich Kalurac getötet habe. Es stimmt alles. Unwahrscheinlich.«
Wir sprachen nun eine Weile miteinander. Erst kurz vor Morgengrauen legten wir uns zur Ruhe. Die Natur forderte ihr Recht. Wir schliefen sofort ein.
***
Gegenwart
Nachtdienst war etwas, das Police Sergeant Frank Callahan überhaupt nicht vertragen konnte. Aber was sollte er machen? Er hatte sich vor neun Jahren zur Flußpolizei gemeldet und mußte sich damit abfinden, die Nächte um die Ohren zu schlagen.
Mittlerweile war die Themse zu seiner zweiten Heimat geworden. Er kannte den Fluß besser als sein kleines Reihenhaus im Londoner Stadtteil Southwark. Und da die Hypotheken das Dach fast durchbogen, war Callahan gezwungen, Nachtdienst zu schieben. Die Zulagen nahm er immer gern mit. Seine Frau hatte sich inzwischen daran gewöhnt, ebenso wie die beiden Kinder, die ihren Vater kaum sahen.
Auch in dieser Nacht war das Boot wieder unterwegs. Sie tuckerten flußabwärts, der Mündung zu. Es war eine finstere Nacht.
Keine Sterne am Himmel, kein Mond zu sehen. Die dicken
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