0139 - Im Land des Vampirs
sich auf sein Boot verkrochen und in das Ruderhaus zurückgezogen.
Wir aber gingen einem ungewissen Schicksal entgegen…
***
Ilona schrie!
Die Männer packten sie hart an, stießen sie über den Burghof auf eine alte Holztür zu, hinter der sofort eine Steintreppe begann, die in die Tiefe führte.
Kein Geländer war da, an dem das Mädchen sich hätte festhalten können, und es hatte wirklich Glück, daß es nicht in die unbekannte Tiefe stürzte.
Mit dem Rücken an die Mauer gepreßt blieb sie stehen. Sie schaute zur Tür hin, sah noch einen Ausschnitt des Burghofes, und dann wurde die Tür zugerammt.
Dunkelheit!
So finster, daß sie nicht einmal die Hand vor den Augen sehen konnte. Sie hörte von draußen das Lachen der Männer und das Klirren der Hufe. Dann ritten sie weg.
Ilona, das Zigeunerkind, war allein. So schrecklich allein. In einer riesigen, ihr unbekannten Burg und umgeben von tausend Gefahren. Sie wußte nicht, wohin sie gehen sollte, zurück konnte sie nicht mehr, die Treppe hinunter traute sie sich nicht, so blieb sie erst einmal stehen.
Langsam beruhigte sich ihr Atem. Die Kerle hatten es hart getrieben. Ilona mußte den größten Teil der Strecke zu Fuß laufen.
Erst ziemlich am Ende hatten die Reiter Erbarmen gezeigt und sie in den Sattel gezogen. Dabei hatte sie Schändliches über sich ergehen lassen müssen, das ihr nachträglich noch die Schamröte ins Gesicht trieb. Die Söldner waren brutale, gemeine Kerle, die mit Frauen umsprangen, als wären sie der letzte Dreck. Noch jetzt war ihre Kleidung verrutscht, und sie begann, Bluse und Rock zu richten.
Das tat sie automatisch. Sie fühlte auch den klaffenden Riß im Stoff und hatte keine Möglichkeit, ihn zusammenzunähen.
Es blieb still.
Niemand dachte daran, das Tor von außen zu öffnen und sie herauszuholen. Ilona war auf sich allein angewiesen. Sie dachte an die schlimmen Geschichten, die man sich von Frauen und Mädchen erzählte, die verschleppt worden waren, und ihre Angst wurde noch größer.
Zeit verging.
Es kam der Punkt, an dem ihr vieles egal war. Sie hatte ihre erste panische Angst überwunden, und so etwas wie Überlebenswille gepaart mit Neugierde ergriff von ihr Besitz.
Sie hatte eine Treppe gesehen. Wo führte sie hin?
Ilona Marek wollte es herausfinden. Sie schob vorsichtig ihren rechten Fuß vor, stellte fest, daß sie noch einen Schritt machen konnte, und ertastete die erste Stufe.
Sie beugte die Fußspitze nach unten und verlagerte das Gewicht.
So erfühlte sie sich die zweite Stufe.
Dann die dritte, die vierte, die fünfte und so weiter.
Im Dunkeln stieg sie dem Keller entgegen und merkte, daß sie Treppe einen weiten Bogen machte. Die Stufen wurden zur Wand hin breiter, während sie sich an der anderen Seite verengten.
Unter ihren Füßen knirschte der Dreck. Sie zertrat kleinere Steine und zuckte zusammen, als ein Spinnennetz über ihr Gesicht strich.
Der nächste Schritt.
Keine Stufe mehr!
Ilona hatte das Ende der Treppe erreicht.
Doch wohin hatte sie der Weg geführt?
Ilona hob beide Arme und streckte auch die Hände aus. Die Fingerspitzen berührten eine unebene, kalte Steindecke, in deren Fugen eine weiche Masse steckte, von der sie annahm, daß es sich hierbei um Schimmel handelte.
Jetzt wollte Ilona auch die Breite des Ganges feststellen. Sie streckte beide Arme seitlich aus, und auch hier fuhren die Fingerspitzen über das Gestein.
Soviel wußte sie.
Ilona hörte ihr eigenes Herz hoch im Hals pochen. Trotz der Kühle schwitzte sie. Das Blut rann schneller durch die Adern als sonst, die Angst saß fest wie ein dicker Kloß in ihrer Kehle. Was würde sie in diesem unterirdischen Verlies erwarten?
Folter?
Wollte man sie auf die Streckbank legen wie eine Hexe? Oder mit Daumenschrauben quälen?
Sie hatte zufällig solche Szenen gesehen, auf dem Marktplatz eines kleinen Ortes. Noch jetzt klangen die Schreie des Opfers in ihren Ohren nach.
Sie schüttelte sich. Nein, bevor jemand das mit ihr anstellte, wollte sie lieber Selbstmord begehen. Nur hatte sie keine Waffe, sie war völlig hilflos.
Ilona Marek ging weiter.
Schritt für Schritt durchmaß sie den Gang, wobei sie die Arme weiterhin ausgestreckt hielt. Irgendwo mußte er zu Ende sein. Manchmal fielen Wassertropfen auf ihren Kopf, die dann eiskalt an Stirn und Wange hinabrannen, so daß sie fröstelte.
Und da sah sie das Licht.
Vor Schreck blieb sie stehen. Es war nur ein Schimmern und kaum zu erkennen, aber ihre Augen hatten
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