0139 - Im Land des Vampirs
beugte sich herab und küßte die Hand der Frau.
»Steh auf«, sagte Katharina, als sie merkte, daß Ilona demütig hocken blieb. »Ich will mit dir reden.«
Das Mädchen erhob sich.
Fest schaute ihr die Gräfin ins Gesicht, und Ilona erschauderte unter dem Blick.
»Du bist schön, mein Kind«, sagte die Gräfin. »Sogar sehr schön. Und ich freue mich auch, wenn ich schöne Menschen um mich herum habe.« Sie streckte die Hand aus und streichelte über Ilonas Wange.
Das Mädchen zuckte zusammen.
Kalt waren die Finger.
Wie Totenhände…
Gleichzeitig errötete die junge Zigeunerin. Sie hatte etwas anderes erwartet, nicht solche Worte, wie sie die Gräfin eben gebraucht hatte. Was hatte man nicht alles für schlimme Dinge über sie erzählt. Aber jetzt war sie ganz anders. Jedes Ding hat eben zwei Seiten, dachte Ilona.
»Ich habe dich schon öfter gesehen«, fuhr die Gräfin fort. »Und ich habe mir gedacht, daß ich dich irgendwann einmal auf diesem Schloß wiedertreffen werde. Nun ist es soweit.« Sie lächelte, doch ihre Augen blieben ohne Glanz.
»Du sagst ja nichts, mein Kind!«
»Was soll ich auch sagen?« Ilona schluckte. »Ich bin einfach sprachlos, Gnädigste.«
»Dann gefällt es dir hier?«
»Vielleicht…«
»Oh, ich hatte eine klarere Antwort erwartet.«
»Ihr müßt wissen, daß es alles noch neu ist für mich. Ich muß mich erst daran gewöhnen.«
Die Gräfin nickte. »Das verstehe ich durchaus, liebe Ilona. Du bist nicht die einzige auf dem Schloß. Es gibt zahlreiche junge Mädchen hier, die mir und ihm Gesellschaft leisten. Die zu unserem Hofstaat gehören.« Bei diesen Worten glitten ihre Blicke am Körper Ilonas entlang. Sie sah die zerrissene Bluse und die Haut darunter schimmern. »Du hast einen schönen Körper. Er wird ihm sehr gefallen.«
»Dem Grafen Fariac?« fragte Ilona.
»Ja.«
»Was stellt er mit uns an?«
»Nichts.«
»Im – im Dorf erzählt man sich schreckliche Dinge. Er würde die Mädchen töten…«
Katharina lachte. »Nein, er tötet doch niemanden. Er gibt ihnen das ewige Leben, meine liebe kleine Ilona.«
»Dann ist er ein Magister und Zauberer?«
Die Gräfin nickte. »So kannst du es nennen. Aber etwas gefällt mir nicht an dir.« Die Gräfin hob den Arm und deutete mit dem Zeigefinger auf die Halsgrube des Mädchens, wo auch das kleine Kreuz baumelte. »Nimm es ab.«
Ilona schielte nach unten. Sie sah das Kreuz und erschrak. »Nein, Gnädigste, ich nehme es nicht ab. Ich kann es nicht abnehmen. Es ist ein Geschenk meiner Mutter. Sie hat mich eindringlich darum gebeten, es immer zu tragen.«
»Ich befehle es dir!«
Ilona hörte die schrille Stimme der Gräfin und zuckte zusammen.
In ihrem Innern tobte ein Widerstreit von Gefühlen. Einerseits hatte sie ihrer Mutter versprochen, das Kreuz bis zu ihrem Tod zu tragen, andererseits war sie jetzt bei der Gräfin, und die war ihre Herrin, auch wenn Ilona nicht freiwillig aufs Schloß gekommen war.
»Könntet Ihr nicht eine Ausnahme machen, Gnädigste?« fragte sie mit zitternden Stimme.
»Nein!« Katharina, Gräfin Fariac, stampfte mit dem rechten Fuß auf. »Nimm es endlich ab!«
Da nickte das Mädchen. Ilona hob die Arme und führte beide Hände um den Hals herum, um an der Rückseite das kleine Schloß zu öffnen, das die beiden Kettenhälften hielt.
Dann hielt sie das Kreuz in der Hand und wollte es in die Rocktasche stecken, doch damit war die Gräfin überhaupt nicht einverstanden. »Nein«, rief sie. »Nicht so. Du wirst es überhaupt nicht mehr bei dir behalten, sondern wegwerfen.«
»Das kann ich nicht!« Die Antwort kam spontan.
»Wirf es weg!«
Die Gräfin schrie das Mädchen an, und Ilona zuckte zusammen.
Dann nickte sie.
Sie öffnete die Faust, und die Kette mit dem Kreuz klirrte zu Boden.
»Geh zur Seite!« herrschte die Gräfin Ilona an. Sie selbst trat dann gegen das Kreuz, so daß es bis zur Tür rutschte, durch die Ilona den Raum betreten hatte.
»Geh hin und wirf es in den Gang!« befahl die Gräfin.
Ilona zögerte.
»Nun mach schon!«
Da blieb dem Mädchen keine Wahl. Ilona schritt auf die Tür zu, bückte sich, hob das Kreuz auf und öffnete.
Sie schaute wieder in den dunklen Gang, spürte die kühle Luft und fröstelte.
»Hast du es weggeworfen?« klang die Stimme der Gräfin.
»Ja.«
»Dann komm her.«
Ilona ging wieder zu ihr.
Die Gräfin legte ihr eine Hand auf die Schulter. Jetzt lächelte sie wieder und strotzte vor falscher Freundlichkeit. »Möchtest du ihn
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