0139 - Im Land des Vampirs
Fähre war in einen der gefährlichen Strudel geraten. Plötzlich wurde sie herumgedreht, und ich hatte das Gefühl, mich mitten in einem Kreisel zu befinden. Steuerlos war das Schiff den Gewalten des Wassers ausgeliefert. Die Wellen quirlten, schäumten und spielten mit dem Boot. Ich sah den Fährmann wieder in meiner Nähe und schrie:
»Tun Sie doch was, verdammt! Helfen Sie uns!«
Der Schiffer kroch heran.
Sein Gesicht war verzerrt. Eine über Bord rollende Welle hatte ihn völlig durchnäßt.
Aber es gelang ihm, auf die Füße zu kommen. Er schrie ein paar Anweisungen, wie wir das Segel zu halten hatten, er selbst verschwand in dem kleinen Ruderhaus, gegen das überlaufende Wellen klatschten.
Es bereitete uns ungeheure Mühe, die schwere Segelstange herumzudrehen. Karel rutschte dabei auf den nassen Planken aus und fiel hin. Der Wind wollte nicht mitspielen. Er hieb in das Segel hinein, schüttelte es durch, so daß ich befürchten mußte, den Stoff würde reißen.
Er hielt.
Und wir schafften es.
Der Fährmann im Ruderhaus unterstützte uns dabei. Es gelang ihm, das Boot so zu drehen, daß wir förmlich aus dem Strudel gespien wurden. Die Fähre machte einen regelrechten Sprung nach vorn, klatschte wieder aufs Wasser und wurde weitergetrieben.
Mehr als die Hälfte der Flußbreite hatten wir längst geschafft.
Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Ufer.
Ich riskierte einen ersten Blick über die Bordwand und sah ganz in der Nähe die gefährlichen Felsen.
Himmel, war das knapp gewesen. Nur haarscharf waren wir an diesen messerscharfen Riffs vorbeigekommen.
Der Rest war ein Kinderspiel zu dem, was hinter uns lag. Zwar wurde die Fähre noch genügend gebeutelt, doch wir erreichten ohne Schaden das andere Ufer und damit auch den Steg.
Mit der Backbordwand schrammte die Fähre über das Holz. Eine große Welle rauschte heran, erfaßte das Schiff am Heck und schob es so weit vor, bis sein Kiel über Land scheuerte. Das zurücklaufende Wasser zerrte und zog zwar noch an dem Kahn, schaffte es aber nicht, ihn wieder in den Fluß zu ziehen.
Wir atmeten auf.
Alle vier waren wir ziemlich erschöpft. Mehr taumelnd als gehend bewegten wir uns auf den Bug des Schiffes zu und kletterten endgültig an Land.
Hier ließen wir uns einfach fallen.
Ich kniete zwischen den Mareks, die beide im feuchten Ufersand auf dem Rücken lagen.
Karel betete. Sein Vater war stumm, und der Fährmann spie schwallweise Wasser aus. Er war ziemlich grün im Gesicht.
Auch mir ging es nicht besonders. In meinen Oberarmen hatte ich kaum noch Gefühl. Wir hatten gegen eine fast entfesselte Natur gekämpft und gewonnen.
Ich stand auf.
Der Fährmann übergab sich noch immer. Er wischte sich über die Lippen, sah, daß ich neben ihm stand, und schaute mich an.
Ich lächelte. »Geht es wieder?«
Er nickte. »Schon lange Jahre fahre ich über den Fluß, kenne jede Stromschnelle, aber so etwas wie heute ist mir noch nie in meinem Leben passiert. Und dann diese Bestie. Fast hätte sie mich gehabt. Habt Ihr mich gerettet?«
»Ja.«
In seinem Blick stand plötzlich Ehrfurcht. »Dann seid Ihr ein großer Magier und Zauberer.«
»Nein, nein, ich bin völlig normal.«
»Womit habt Ihr sie getötet, daß sie sogleich zu Staub zerfiel, mein Herr?«
»Ich habe da so meine kleinen Geheimwaffen.«
Er verstand mich nicht, was auch besser war.
Karel Marek stand inzwischen wieder auf den Beinen. Er half auch seinem Vater hoch. Der Alte bedankte sich.
Ich ging zu den beiden. »Alles wieder klar?«
Sie nickten.
Ich schaute hoch zur Burg. Noch immer wurde das Gemäuer von tief liegenden Wolken umwirbelt. Zwischen uns und der Burg befand sich dichter Wald. Die Weinberge lagen weiter versetzt. Der Sturm schüttelte die Kronen der Bäume durch und riß morsche Äste ab, mit denen er spielte und sie sodann in den Fluß schleuderte, wo sie rasch weitergetrieben wurden.
»Wer von euch kennt den Weg?« wollte ich wissen.
Beide wußten, daß ein Pfad zur Burg hochführte, der allerdings bewacht wurde.
»Der Weg ist so breit, daß auch ein Pferdegespann ihn benutzen kann«, erklärte der Musikant. »Ich war einmal an der Burgmauer, dann hat man mich wieder fortgeschickt. Man wollte keine Sänger.«
Innerlich grinste ich. Eine gute Stimme hatte er wirklich nicht. Sie wäre mir auch auf den Geist gegangen, doch ich hütete mich, ein Wort davon laut auszusprechen.
Der Fährmann hielt sich zurück. Mit uns wollte er nichts mehr zu tun haben. Er hatte
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