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014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen

Titel: 014 - Das Geheimnis der gelben Narzissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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unwahrscheinlich, daß Lyne seinen Schreibtisch unverschlossen ließ. Milburgh mußte ihn selbst geöffnet haben, um ihn zu durchsuchen.
    Warum hatte er das Kuvert mit den roten chinesischen Zetteln genommen? Daß Thornton Lyne diese Dinge in seinem Schreibtisch aufbewahrte, war leicht zu erklären. Als Globetrotter hatte er Kuriositäten gesammelt und auch diese Papiere gekauft, die man damals in allen größeren chinesischen Städten als Andenken an die Räuberbande der ›Freudigen Herzen‹ haben konnte.
    Seine Unterredung mit Ling Chu mußte er jedenfalls in Scotland Yard berichten, und diese hohe Behörde würde wohl ihre eigenen Schlußfolgerungen daraus ziehen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie wenig günstig für Ling Chu ausfallen, der hierdurch unmittelbar verdächtigt würde.
    Tarling war jedoch durch die Erzählung zufriedengestellt - oder richtiger: er glaubte sich zufriedengestellt. Er konnte ja einige Angaben nachprüfen und begab sich daher sofort in Lynes Warenhaus. Die Lage des Hauses stimmte mit allem überein, was Ling Chu gesagt hatte. Tarling ging auf die Rückseite des großen Gebäudes in die kleine ruhige Straße und fand dort auch die eiserne Regenröhre, an der Ling Chu in die Höhe geklettert war. Es mußte ihm leichtgefallen sein, denn er konnte klettern wie eine Katze. Tarling hatte gar keinen Grund, an diesem Teil der Geschichte zu zweifeln.
    Er ging zur vorderen Seite des Gebäudes und trat durch die große Glastür ein. Es standen viele Leute vor den Schaufenstern, denn durch die Mordgeschichte hatte das Geschäft eine traurige Berühmtheit erlangt. Er fand Mr. Milburgh in seinem Büro, das viel größer, aber weniger luxuriös als das von Mr. Lyne eingerichtet war. Er begrüßte Tarling, schob ihm einen Sessel hin und bot ihm eine Zigarre an.
    »Wir sind in einer unangenehmen Lage, Mr. Tarling«, sagte er mit seiner schmeichlerischen Stimme. Das konventionelle Lächeln, das man immer an ihm beobachten konnte, lag auf seinem Gesicht. »Unsere Bücher sind zur Revision fortgebracht worden, und dadurch ist mir die Geschäftsführung sehr erschwert. Wir haben eine provisorische Buchführung einrichten müssen, und Sie werden wohl verstehen, welche Schwierigkeiten das für einen Geschäftsmann mit sich bringt.«
    »Sie arbeiten sehr viel, Mr. Milburgh?«
    »O ja, ich habe immer angestrengt arbeiten müssen.«
    »Sie waren auch vor Lynes Tod sehr fleißig?«
    »Ja, das kann ich wohl behaupten.«
    »Bis spät in die Nacht?«
    Milburgh lächelte noch immer, aber es war jetzt ein merkwürdiger scheuer Blick in seinen Augen.
    »Ich habe häufig bis spät abends gearbeitet.«
    »Können Sie sich an den Abend des 11. dieses Monats erinnern?« fragte Tarling.
    Milburgh schaute zur Decke, als ob er tief nachdächte. »Ja, ich glaube. Ich muß den Abend sehr spät bei der Arbeit gewesen sein.«
    »In Ihrem eigenen Büro?«
    »Nein, ich habe meistens in Mr. Lynes Büro gearbeitet - auf dessen eigene Anregung hin«, fügte er hinzu. Das war allerdings eine kühne Behauptung, denn Tarling wußte nur zu genau, daß Lyne ihn stark verdächtigt hatte.
    »Hat er Ihnen denn auch die Schlüssel zu seinem eigenen Schreibtisch gegeben?« fragte Tarling trocken.
    »Jawohl, Mr. Tarling«, erwiderte Milburgh mit einer leichten Verbeugung. »Sie können daraus ersehen, daß Mr. Lyne mir in jeder Weise vertraute.«
    Das sagte er so überzeugend, daß Tarling verblüfft war.
    »Ja, ich kann wohl sagen, daß Mr. Lyne mir vor allen anderen vertraut hat. Er erzählte mir soviel aus seinem eigenen Leben und von sich selbst, mehr als irgendeinem anderen. Und -«
    »Einen Augenblick«, entgegneteTarling langsam. »Wollen Sie mir bitte sagen, was Sie mit dem Revolver taten, den Sie auf Mr. Lynes Schreibtisch fanden? Es war eine automatische Pistole, und sie war geladen.«
    Mr. Milburgh schaute erstaunt auf.
    »Eine geladene Pistole?« fragte er und runzelte die Stirn. »Aber mein lieber, guter Tarling, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich habe niemals eine geladene Pistole auf seinem Schreibtisch gesehen. Mr. Lyne verabscheute ebenso wie ich solche gefährliche Waffen.«
    Das ganze Verhalten Milburghs brachte Tarling aus dem Konzept, er ließ sich jedoch nicht das geringste merken, daß er ärgerlich oder erstaunt war. Milburgh saß nachdenklich da, als ob er sich an irgend etwas erinnern wollte.
    »Am Ende glaubten Sie neulich abends«, sagte er stockend, »als Sie mein Haus durchsuchten, eine solche Waffe

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