014 - Das Haus der boesen Puppen
auch nicht. Glauben Sie mir, ich auch nicht, Herr Tepesch.« Dann dämmerte mir, was sie meinte.
»Als Schaufensterpuppe?« stieß ich hervor. Sie nickte.
Ich lachte nicht, aber ich glaubte es auch nicht. Sie sah es mir an. »Sie glauben mir nicht?« flüsterte sie.
Ich spreizte die Finger. »Ich glaube nicht an so übernatürlichen Plunder. Ich bin noch immer geneigt, zu glauben, dass uns die Phantasie einen Streich gespielt hat, oder dass Ihr Mann auf einen Gegner gestoßen ist, der ein paar ausgezeichnete Tricks auf Lager hat.«
»Aber Sie haben doch auch gesehen …«
Ich ließ sie nicht ausreden. Stattdessen erwiderte ich barsch:
»Ich bin nur zufällig mit drin. Die Sache wird allein für Sie abgezogen.«
»Sie werden mir doch helfen?« bat sie.
Ich lächelte ein wenig unsicher. »Vergessen Sie nicht, Neugier ist mein Beruf.«
Ich wünschte mir, dass meine Motive so simpel wären. Sie schien sehr erleichtert.
»Als erstes«, fuhr ich fort, »müssen wir Sie verschwinden lassen, damit der Gegner den Kontakt verliert. Nach wie vor scheint mir meine Wohnung am geeignetsten.«
»Nein!« rief sie. »Man wird Sie beobachten. Vielleicht wird man auch versuchen, herauszufinden, was ich Ihnen bereits alles mitgeteilt habe. Doch zurück in mein Hotel kann ich nicht.«
»Dann werde ich Sie in einem anderen Hotel unterbringen.
Wir müssen nur darauf achten, dass uns niemand folgt.«
Während ich in die Innenstadt fuhr, beobachtete ich mehr den Rückspiegel als die Straße vor mir, was unsere Nervosität noch beträchtlich steigerte. Aber niemand folgte uns. In einem kleinen Hotel mietete ich ein Zimmer für sie. Ich versprach, ihre Sachen unauffällig aus dem anderen Hotel zu holen und am Abend wiederzukommen. Als ich sie verließ, war sie ein Häufchen Elend mit großen furchtsamen Augen. Es drehte mir das Herz um.
Im Wagen dachte ich über alles nach. Es war wirklich verrückt, aber … Ich hatte Zeit. Warum nicht in jenem Kaufhaus nachsehen, welcher Spuk sie so beeindruckt hatte? Vielleicht fand ich irgendeinen Hinweis.
Die Fahrt ins Zentrum, ließ mir nicht viel Zeit zum Nachdenken. Der dichte Verkehr erforderte meine ganze Aufmerksamkeit. Dann suchte ich ewig nach einem Parkplatz, fand schließlich aber doch eine Lücke, in die ich mich verbotswidrig zwängen konnte. Ich war froh, aus dem Wagen steigen zu können.
Die frühe Nachmittagssonne heizte ihn auf wie einen Backofen.
Eine Unmenge von Menschen drängte sich um, in und aus dem Kaufhaus. Ich mischte mich unter sie und begann, die Auslagen abzuklappern. Dummerweise hatte ich Frau Gilbert nicht gefragt, um welche Auslage es sich handelte. Das naheliegendste war wohl die Herrenkonfektion. Mein Blick glitt über die bekleideten Puppen, und dann …
Ich unterdrückte mühsam einen Aufschrei. Da stand Ed Gilbert. Es gab keinen Zweifel. Zumindest musste er Modell gestanden haben für diese Puppe. Er stand in eleganter Pose da, die Hände halb erhoben, den Blick geradeaus auf die Straße gerichtet – auf einen Punkt irgendwo jenseits. Am erstaunlichsten aber war der Kinnbart. Es war die erste Puppe mit Kopfhaar und Bart. Auch seine Haut schien mir nicht so glatt wie die der übrigen, sondern porös; wie erstarrte menschliche Haut.
Ich unterdrückte einen leisen Schauder. Kein Wunder, dass Frau Gilbert nicht zweifelte. Ich fand es selbst schwer. Aber es war eine Narretei! Menschen wurden nicht über Nacht zu Schaufensterpuppen. Es war Zufall. Verdammter Zufall.
Ich beobachtete die Menschen auf der Straße, aber ihnen schien nichts Ungewöhnliches aufzufallen. Vielleicht achteten sie nur nicht darauf.
Als ich wieder durch die Scheibe blickte, erschrak ich zutiefst. Es war mir, als hätte sich der Kopf der Puppe gedreht.
Jetzt blickte sie mich an. Die Augen waren kalt und gläsern, und doch glaubte ich, dahinter etwas zu sehen – irgendein Zeichen von Leben. So starr war der Blick auf mich gerichtet, dass mir ganz sonderbar zumute wurde. Unwillkürlich schnitt ich eine Grimasse. Es war eine reine Reaktion der Abwehr in dieser unsinnigen Situation, kein Akt des Spottes oder Hohns.
Der Mann beobachtete mich neugierig, und mir schoss das Blut ins Gesicht. Das war eine verdammt alberne Sache.
Aber dann erschauerte ich bis ins Mark und bekam eine Gänsehaut bis zu den Zehenspitzen.
Aus den Augen der Puppe quollen zwei Tränen und flossen, eine nasse Spur ziehend, über die Wangen nach unten.
Der Alte neben mir sog scharf die Luft ein, und
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