014 - Der Tod über Paris
sehen, hörten nur das Gebrüll ihrer Verfolger - und die Schreie der Kameraden, die getroffen wurden.
Plötzlich sah Matt, wie sich vor ihnen etwas aus der Dunkelheit schälte es war ein entgleister Metro-Zug, der vor Urzeiten gegen die Tunnelwand geprallt war und diese durchbrochen hatte. Matt folgte seinen Befreiern, die wieselflink auf das rostige Wrack kletterten und über das verbeulte Dach zu der Durchbruchstelle eilten. Nacheinander sprangen sie hindurch - und landeten in kaltem brackigen Wasser, über dem ein erbärmlicher Gestank lag.
Matt gab eine nicht jugendfreie Verwünschung von sich, als er sich darüber klar wurde, dass er bis zu den Knien in einer Jahrhunderte alten Kloake watete - offenbar führte der Durchbruch in das Röhrensystem der alten Pariser Kanalisation.
So schnell sie konnten, rannten die Männer durch das stinkende, kniehohe Wasser, das sie nur langsam vorankommen ließ. Plötzlich stieß Matt gegen etwas Hartes. Jemand packte ihn und zog ihn hoch - und im nächsten Moment fand er sich bäuchlings im Rumpf eines flachen Bootes liegend.
Eilig bestiegen die Lumpenmänner ihre Gefährte, stießen sich mit langen Stangen von der Tunnelwand ab und glitten lautlos die dunkle Röhre hinab, gewannen rasch an Fahrt.
Erleichtert nahm Matt wahr, dass die wütenden Schreie der Me'ros hinter ihnen zurückblieben. Vorerst war er in Sicherheit - wenngleich er keine Ahnung hatte, wohin die Fahrt ging und was ihn am Ziel der Reise erwartete…
***
Sein Befreier hieß Schack. Zumindest so viel hatte Matt in Erfahrung gebracht, als sie schließlich die Behausung des Mannes erreichten, der ihn aus dem dunklen Gefängnis der Me'ros gerettet hatte.
Durch ein Labyrinth von Röhren und unterirdischen Kanälen hatten Schack und seine Leute das dunkle Reich der Me'ros verlassen und waren zurückgekehrt an die Oberfläche. Über einen kleinen Fluss, der ein Nebenarm der über die Ufer getretenen Seine zu sein schien, waren sie in einen Stadtteil gelangt, dessen Gebäude noch einigermaßen erhalten waren, zumal man viele von ihnen notdürftig ausgebessert hatte.
Schacks Haus war das größte in der Straße - offenbar bekleidete der unscheinbare Mann einen hohen Rang unter seinen Leuten.
Staunend nahm Matt zur Kenntnis, dass auch Schacks Heimstatt mit alten Teppichen ausgeschlagen war und dass, wie in Domm Perrs Schlupfwinkel, die verrottenden Werke alter Meister an den Wänden hingen. In einem verblichenen, in Fetzen hängenden Gebilde glaubte Matt gar da Vincis »Mona Lisa« zu erkennen. Ihn schauderte.
Man führte Matthew in einen Raum, der selbst in diesen barbarischen Zeiten die Bezeichnung »Salon« verdiente: Teppiche zierten Boden und Wände, es gab prunkvolle Sitzmöbel aus ziseliertem Silber. Doch über allem lag der Hauch des Morbiden und des Verfalls - das Silber war schwarz und fleckig, die Teppiche von Motten zerfressen, die Einrichtung morsch und brüchig. Für Matt war all das nur ein zynischer Abgesang auf längst vergangene Tage - für Schack schien es der Inbegriff von Luxus zu sein.
Ausgelassen warf sich der dürre Mann in einen der Sessel und sandte Matt einen fragenden Blick.
»Beeindruckt?«, erkundigte er sich. Matt schnitt eine Grimasse - nach allem, was er in den vergangenen Wochen und Monaten gesehen hatten, war er nicht mehr so leicht zu beeindrucken.
»Ich habe mich noch nicht dafür bedankt, dass ihr mich da rausgeholt habt«, wechselte er diplomatisch das Thema.
»Nicht danken.« Schack machte eine wegwerfende Handbewegung und lachte freudlos. »Nur acht Männer sterben bei Befreiung. Menschen nicht viel wert dieser Tage…«
»Was verlangt ihr als Gegenleistung?«, kam Matt ohne Umschweife auf den Punkt. Er war an das glaslose Fenster getreten, blickte auf die Ruinenlandschaft, die sich jenseits davon erschreckte, und war für einen Augenblick unendlich deprimiert.
»Maddrax kommt gleich zur Sache«, stellte Schack anerkennend fest. »Das gut. Wir nicht viel Zeit. Jeden Augenblick zögern, meine Leute sterben.«
Matt wandte sich um, blickte den Anführer der Parii fragend an.
»Was geht hier vor?«, fragte er.
»Was stimmt nicht in dieser Stadt? Als wir uns das erste Mal begegneten, sagtest du, sie wäre verflucht…«
»Das noch untertrieben.« Schack lachte freudlos. »Ich Maddrax erzählen Geschichte. Geschichte von Parii, einst große Stadt…«
»Ich weiß«, versicherte Matt und warf noch einmal einen wehmütigen Blick zum Fenster hinaus. »Ich
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