014 - Der Tod über Paris
sie zurück bekam, erreichte er damit bei dem horngepanzerten Vogel nicht viel.
Was also sollte er tun?
Plötzlich fiel Matt wieder ein, was Hank ihm nachgerufen hatte, als er aus der Höhle geflohen war: »Geh nach Notre Dame, Matt!«
Matthew Drax war sich nicht hundertprozentig sicher, was sein alter Staffelkamerad damit gemeint hatte.
Aber er glaubte Hank gut genug zu kennen, um zu wissen, was er in den Ruinen der alten Kathedrale finden würde…
»Also gut«, eröffnete er in einem jähen Entschluss. »Ich werde euch helfen, den Monstervogel zu besiegen. Damit rette ich vielen hundert Parii das Leben. Ihr hingegen habt nur ein Leben gerettet. Also verlange ich von euch eine Gegenleistung.«
»Was Maddrax wollen?«, erkundigte sich Schack. In seinen kleinen Augen blitzte es lauernd auf.
»Ich werde den Avtar für euch töten - und ihr werdet dafür meine Freunde befreien.«
»Einverstanden.« Schack nickte. »Dann keine Zeit verlieren.«
»Wieso?«, fragte Matt. Der Oberste Lord der Parii lachte freudlos. »Maddrax fremd hier, kein Zweifel. Nicht wissen, dass Freunde so gut wie tot. In wenigen Stunden Sonne an höchster Stelle. Dann Me'ros locken Avtar - und opfern Gefangene…«
***
Von Schack hatte sich Matt den Weg nach Notre Dame beschreiben lassen. Als der Oberste Lord der Parii gehört hatte, dass Matt vorhatte, alleine die »Ilcea« aufzusuchen, hatte er darauf bestanden, ihm zwei Krieger zur Verstärkung mitzugeben. Matt jedoch hatte abgelehnt. Wenn sich in den Ruinen von Notre Dame tatsächlich befand, was er dort vermutete, war es besser, er ging allein dorthin - nach allem, was er über die Parii gehört hatte, wollte er nicht, dass sie in den Besitz von Dingen gelangten, für die sie noch nicht reif waren…
Der Marsch durch die Trümmerlandschaft war ein gefahrvolles Unterfangen.
Nicht nur, dass Matt ständig den Himmel im Auge behalten musste, um nicht von einer plötzlichen Attacke des Avtar überrascht zu werden. Immer wieder gewahrte er seltsame Geräusche, sah kleine bepelzte Tiere in Schutt und Trümmern verschwinden, und gelegentlich starrten ihn leuchtende Augen aus dunklen Hauseingängen an.
Er wollte lieber gar nicht wissen, was für Kreaturen in den dunklen Ruinen von Paris hausten - das rostige Metall des Speers, den er als Bewaffnung mit sich führte, fühlte sich bei weitem nicht so beruhigend an wie der wuchtige Griff der Beretta…
Über eine Stunde lang führte ihn sein Marsch in nordöstliche Richtung.
Schließlich drang das Rauschen von Wasser an sein Ohr, sagte ihm, dass er nah am Ziel sein musste. Mit raschem Schritt eilte er ans Ende der Häuserzeile und stand unvermittelt vor einem reißenden Fluss.
Es war fraglos die Seine - oder besser ein später Nachkomme von ihr, der vor langer Zeit über die Ufer getreten war und einen Großteil der Altstadt überschwemmt hatte. Auch eine beträchtliche Fläche der Ile de la cite - oder »Ilcea«, wie Schack und seine Leute die Insel inmitten des reißenden Gewässers nannten - war überflutet worden. Die einstmals so stolzen Zwillingstürme von Notre Dame erhoben sich darauf wie zwei drohende Fäuste, umgeben von den Ruinen der einst so prächtigen Kathedrale.
Matt schaute sich um, suchte nach einer Möglichkeit, den Fluss zu überqueren. Unweit der Ruinen der Kathedrale gab es die Überreste mehrerer Brücken, die längst eingestürzt waren.
Einige der Pfeiler hatten dem Ansturm der Wassermassen widerstanden, andere waren schon längst von den Fluten fortgerissen worden. Aber vielleicht, mit etwas Glück…
Matt nahm das geflochtene Seil, das er über der Schulter trug und das an seinem Ende ein gebogenes Eisenstück als Haken aufwies - ähnlich dem, mit dem Schack den Gefängniswaggon erklommen hatte. Die Entfernung zum ersten Pfeiler betrug an die fünfzehn Meter. Wenn es Matt gelang…
Er hielt sich nicht lange mit Überlegungen auf. Die Zeit drängte. Unaufhaltsam kletterte die fahl leuchtende Scheibe der Sonne ihrem Zenit entgegen. Wenn es Mittag war, würden die Me'ros den Avtar rufen und ihm zwei ihrer Gefangenen opfern…
Matt biss die Zähne zusammen, ließ den Haken durch die Luft wirbeln und schickte ihn zum Pfeiler hinüber. Der erste Versuch schlug fehl - platschend fiel der Haken ins Wasser. Der zweite war jedoch von Erfolg gekrönt - das Eisen verfing sich im zerklüfteten Mauerwerk des alten Pfeilers.
Matt zerrte an dem Strick, um die Festigkeit zu prüfen, formte darin aus dem anderen Ende eine
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