014 - Die Falle des Zyklopen
frei. Erleichtert ließ es Capell einige Meter vorwärtsrollen.
Plötzlich erschrak er.
Das Abblendlicht hatte eine Gestalt erfaßt!
***
Eine männliche Gestalt. Sie lag reglos auf dem Boden. Viele Gedanken wirbelten durch Oliver Capells Kopf. Er mußte sich um den Mann kümmern, konnte nicht so tun, als habe er ihn nicht gesehen.
Er war verpflichtet, diesem Menschen zu helfen, wenn ihm noch zu helfen war. Sobald er dies aber tat, würde man erfahren, wo er gewesen war. Seine Verlobte und sein zukünftiger Schwiegervater würden wissen wollen, was er hier zu suchen gehabt hatte. Wenn er auch irgendeine Lüge anbrachte, so würden ihm die beiden bestimmt nicht glauben, daß er allein hier gewesen war.
Ach, Mist! Er mußte trotzdem helfen!
Rasch stieg er aus. Der Himmel hielt auch für ihn etliche Eimer Wasser bereit. Mit hochgezogenen Schultern näherte er sich dem Reglosen. Er beugte sich über ihn, kannte den Mann nicht. Als er nach dessen Halsschlagader tastete, schlug der Fremde die Augen auf. Ein wirrer Ausdruck befand sich in seinem Blick.
Der Mann bewegte die Lippen. Seine Finger krallten sich in Capells Kleidung. Er stammelte etwas, das Capell nicht verstehen konnte. Dann aber kamen deutlichere Worte aus dem Mund des Fremden.
»Todesmoor… der Teufel … Herbert – tot …«
»Waren Sie beim Todesmoor?« fragte Oliver Capell aufgeregt.
Das Regenwasser rann ihm in den Nacken. Es war ihm gleichgültig.
Nie und nimmer hätte er das Todesmoor aufgesucht. Schon als Kind hatte er stets diese unheimliche Gegend gemieden.
»Ja«, hauchte der Mann.
»Wie heißen Sie?«
»Rodin. Fred Rodin.«
»Wer ist Herbert?«
»Mein Freund. Er war mein Freund.«
»War?«
»Er… lebt nicht mehr.«
»Was ist passiert?«
Stockend berichtete der Drachenflieger von dem nächtlichen Abenteuer, das mit einem bösen Absturz geendet hatte.
»Ist Ihr Freund dabei ums Leben gekommen?« wollte Capell wissen.
Rodin schüttelte langsam den Kopf. Abgehackt sprach er weiter, und Oliver Capell erfuhr von dem ganzen Horror, den Fred Rodin durchgemacht hatte. Erschüttert half er dem Drachenflieger auf die Beine. Er wußte nicht, was er mit dem Mann, der wie ein nasser Sack an ihm hing, machen sollte. Da kam ihm die ihm einzig richtig scheinende Idee: »Ich bringe Sie zur Polizei«, sagte er, und Rodin war es recht. In seinem Zustand war ihm alles recht. Er war froh, das Grauen überstanden zu haben.
Capell verfrachtete den Erschöpften in seinen Wagen, fuhr den Güterweg bis zur Asphaltstraße zurück und lenkte die Fahrzeugschnauze Richtung Bodmoor. Nach kurzem entdeckte er Camilla, die durch den strömenden Regen lief. Er stoppte den Wagen neben ihr.
»Komm, steig ein.«
»Du verdammtes Schwein!« legte sie los.
»Ja, ich weiß, daß ich mich wie ein Schwein benommen habe. Entschuldige, Camilla. Es tut mir leid. Steig ein. Ich bringe dich nach Bodmoor zurück.«
Er öffnete die Tür auf der Beifahrerseite. Während das Mädchen sich neben ihn setzte, fiel ihr der Mann im Fond des Wagens auf.
»Wer ist das?« fragte sie verblüfft. »Wo kommt dieser Mann auf einmal her?«
Capell erzählte ihr Fred Rodins Geschichte und fuhr weiter.
***
Eric Alexander – Toby Murcells bester Freund. Ich bat den Inspektor um Alexanders Adresse, und Hywel Ellis sagte mir, wo der Mann wohnte. Wenn ich Glück hatte, stimmte meine Theorie mit der Zyklopen-Sekte. Und wenn ich noch mehr Glück hatte, gehörte Eric Alexander dieser geheimen Sekte an. Er würde mir auf viele Fragen antworten müssen. Sollte er sich als störrischer Esel erweisen, würde ich ihm das Leben mit meinem magischen Ring schwermachen, denn das konnte er gewiß nicht vertragen.
Der Regen ließ nach. Das traf sich gut.
Ich schickte mich an, die Polizeistation zu verlassen, als polternd die Tür aufgestoßen wurde und ein ausgemergelter, von oben bis unten klatschnasser, mit Dreck bedeckter Mann hereinstolperte.
»Inspektor!« krächzte er. »Inspektor!« Er faßte sich ans Herz.
»Meine Güte, das bringt mich noch um…«
»Was ist passiert?« fragte Ellis und eilte dem Alten entgegen. Er führte ihn zu einem Stuhl. »Setzen Sie sich, Mr. Hume.« Zu mir gewandt erklärte er: »Das ist Terence Hume, unser Totengräber.«
Der Mann sah aus, als wäre ihm ein Gespenst begegnet. An und für sich sind Totengräber nicht leicht zu erschrecken. Da mußte schon etwas Besonderes geschehen sein.
Hywel Ellis versuchte es von Hume zu erfahren, doch im Augenblick schien
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