014 - Planet der Götter
ohne Grund«, murmelte Tanith. Sie wandte sich dem Sonnenkind zu. »Warum hast du ihn geschlagen?«
Das Mischwesen wand sich. »Es lag mir fern, jenen Sternengott zu verletzen«, kam es aus dem Translator. »Doch er verweigerte, zu geben, was uns zusteht und er beschimpfte mich und griff an: Ich wehrte mich. Es ist ein körperlicher Fehler meines Volkes, mit Krallen ausgerüstet zu sein statt mit weichen Fingerkuppen. Die Verletzung jenes Sternengottes tut mir leid. Sie schmerzt mich nicht minder als ihn. Doch sprecht ihr für ihn: Wann endlich gebt ihr uns, was uns zusteht?«
»Aha«, flüsterte Tanith. »Nun kommt das dicke Ende, der Pferdefuß.«
»Wir kennen eure Bräuche nicht, Sonnenkind«, sagte Dr. Trayce. »Wir sind zum ersten Mal auf eurer Welt. Vielleicht solltest du erzählen, worum es geht.«
»Ihr wisst es nicht? Das kann ich nicht glauben, denn ihr seid doch durch das Sternentor gekommen wie alle Götter! Und jeder hat uns stets reichlich beschenkt.«
»Dennoch wissen wir es nicht«, erwiderte Trayce. »Bitte, Sonnenkind, ist es zuviel verlangt, uns zu erzählen, welche Gebräuche auf Sonnentochter befolgt werden?«
»Geschenke bekommen wir, viele Geschenke. Gebt sie uns als Lohn für unsere Dienste – jetzt. Unsere Geduld hat ein Ende.«
»Ich ahne etwas«, murmelte Rayfield. »Es ist wie in einem Hotel. Das Personal hat ein Recht auf Trinkgeld. Somit haben diese Wesen hier auch ein Anrecht auf ihre Geschenke.«
»Du siehst das richtig, Sternengott«, sagte das Sonnenkind.
»Die ganze Sache hat nur einen einzigen großen Haken«, sagte Dr. Trayce kopfschüttelnd. »Wir würden euch gern alles geben, was ihr verlangt – aber wir haben nichts.«
Der Planetarier schwieg eine Weile. Man konnte förmlich sehen, wie die Zahnräder der Gedankenkette im Hirnkasten hinter der nichtmenschlichen Stirn rotierten. Dann straffte er sich.
»Seit hundertdreißig Sonnenumläufen«, flüsterte er zornig, »ist dies das erste Mal, dass Götter uns beehren. Und es ist das erste Mal, dass man uns verweigert, was uns zusteht. Sind die Götter wirklich so böse geworden, alles zu nehmen und nichts zu geben?«
»Versteh uns bitte«, bat Dr. Trayce. »Wir wollten gar nicht hierher kommen. Wir sind durch einen Zufall nach Sonnentochter verschlagen worden, durch einen Unfall. Seither versuchen wir, in unsere Welt zurückzukehren, doch es geht nicht.«
Selbst der Translator schaffte es, dem Tonfall seiner Übersetzung noch die Bitterkeit der Originalworte mitzugeben.
»Ich sehe, dass die Götter böse geworden sind. Sie verweigern den Lohn, nachdem sie alles genommen haben. Nur das zählt.«
»Aber, verdammt, wir haben doch nichts.«
»Wer nichts hat, darf auch nichts nehmen«, sagte das Sonnenkind. »Nun, wir werden uns holen, was uns zusteht.«
»Vorsicht«, zischte Rayfield.
Der Planetarier stieß einen schrillen Pfiff aus.
Im nächsten Moment wurde das Paradies zur Hölle.
*
Dan Corinno hatte sich auf den Notschalter geworfen. Er hatte selbst nicht mehr geglaubt, dass er es schaffen würde. Er sah schon den grellen Feuerblitz, der alles auslöschen musste.
Aber der Blitz kam nicht. Der hatte noch zu warten. Das mörderische Inferno, das die Transmitter-Halle verschlang und die Mondstadt erschüttern musste, blieb aus.
Corinno atmete tief durch. Er stieß sich wieder von der Schalttafel ab. Es war dunkel geworden. Nicht einmal die Notbeleuchtung brannte mehr, kein Interkom funktionierte. Mit der Nottaste hatte Corinno mit einem Schlag die gesamte Energieversorgung des Mechanics-Komplexes stillgelegt.
Nur die eigene Notstromversorgung der Computer arbeitete, die die Daten vor Löschung zu schützen hatte.
Corinno wusste nicht, wer auf die Idee gekommen war, eine Möglichkeit der Totalabschaltung vom Star Gate aus zu schaffen. Aber derjenige musste eine Situation wie diese voraus geahnt haben. In letzter Sekunde war die tanzende und sich selbst an den falschen Stellen hoch putschende Energie abgezogen worden. Alles war zusammengebrochen.
Eine Feuerzeugflamme zuckte in Corinnos Nähe auf. Ihr Schein zeigte das Gesicht eines Mongolen. Es war der Mann, der so überraschend aufgetaucht war und auf die Wahnsinnige geschossen hatte.
»Ich bin Spezialist Haiko Chan«, sagte der Mann. »Was ist mit Ihrem Kollegen?«
»Ich glaube, er ist tot«, sagte Corinno rau. »Und ich hoffe, diese Wahnsinnige ist es auch.«
»Sie ist keine Wahnsinnige, sondern eine Flibo-Agentin«, sagte Chan. »Können Sie
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