0144 - Nacht über Manhattan
sich keine Sorgen«, sagte Phil. »Erstens werden wir G-men dafür bezahlt, daß wir Verbrecher zur Strecke bringen, zweitens begeht einer, der den ersten Mord auf dem Gewissen hat, den zweiten erfahrungsgemäß schon viel schneller und ungehemmter, und drittens kann man schon deshalb einen Mörder nicht mehr frei herumlauien lassen. Kümmern Sie sich nicht darum. Sie bleiben in meinem Wagen, wenn ich zu Studeway hineingehe. Wenn Sie Schüsse hören, geben Sie Gas und hauen mit dem Wagen ab, so schnell Sie können. Suchen Sie den nächsten Cop, den nächsten Streifenwagen und informieren Sie ihn. Nur muß es dann schnell gehen, denn ich habe nur ein Magazin zur Verfügung. Viel Schüsse kann ich also nicht erwidern.«
Der Junge nickte ein paarmal.
»Gut, ja, das verspreche ich Ihnen. Ich werde sehr schnell Hilfe beschaffen, wenn ich Schüsse höre.«
»Danke«, sagte Phil, und er meinte es so ernst, wie er es sagte.
Für ein paar Minuten kehrte abermals Stille im Wagen ein, bis Phil gleichmütig fragte:
»Wir sind gleich da — wo ist es also genau?«
Der Junge beugte sich wieder vor. Er starrte durch die Windschutzscheibe hinaus auf die Straße und sagte dann, mit vor Aufregung heiserer Stimme: »Hinter der zweiten Laterne geht es rechts in die Einfahrt.«
Phil nickte zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
Er fuhr den bezeichneten Weg und gelangte auf einen recht großen Hof, dessen Hintergrund sich in der Finsternis der Nacht verlor. Im Vorderhaus brannte nur noch hinter zwei verschiedenen Fenstern Licht. Alles andere lag im Dunkel. Die Mehrzahl der Bürger von Manhattan schlief.
Die Scheinwerfer des Taxis rissen ein Gebäude aus der Dunkelheit, dessen Verputz von den Wänden abbröckelte. Es gab nur eine Tür, jedenfalls war von vorn nur eine zu erkennen.
Irgendwo im Obergeschoß dieses Hinterhauses aber mußte Licht brennen, denn man sah einen fahlgelben Schimmer hinter einer Fensterscheibe.
Phil wendete den Wagen so, daß er pfeilschnell wieder zur Einfahrt hinaus konnte, fuhr sich einmal übers Gesicht und sagte dann:
»Sie wissen ja Bescheid. Verlieren Sie nicht die Nerven, wenn es lange dauern sollte. Es kann sein, daß niemand zu Hause ist, dann werde ich mich in der Bude ein bißchen umsehen.«
»In Ordnung«, sagte der Junge.
Phil stieg aus. Schon hatte er ein paar Schritte auf das Haus zugemacht, als ihm noch etwas einfiel. Er drehte um, steckte den Kopf durch das geöffnete Seitenfenster und gab seine letzte Instruktion:
»Beinahe hätte ich es vergessen: Gleichgültig, ob ich allein, mit Studeway oder gar mit mehreren Gangstern zurückkomme, ich werde auf jeden Fall in dem Augenblick, da ich das Haus verlasse, mit einer brennenden Zigarette zweimal einen Kreis beschreiben. Kommt jemand aus dem Hause, der nicht das Erkennungszeichen gibt, treten Sie sofort auf den Gashebel und rauschen ab. Setzen Sie sich jetzt schon ans Steuer.«
Der Junge nickte.
»Ja«, sagte er. »Jawohl. Ich habe genau verstanden.«
Phil klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich wieder ab. Mit gleichmäßigen Schritten ging er auf die einzelne Tür des Hinterhauses zu, öffnete sie und ging hinein.
Der Junge starrte ihm mit weit aufgerissenen Augen nach. Seine Hände lagen fest um das Steuerrad, aber er fühlte, daß sie naß waren von Schweiß.
Unterdessen war Phil unten in eine Art Vorraum gekommen, von dem eine steile Treppe abführte nach oben. Da nur oben Licht zu brennen schien, tastete sich Phil die Treppe hinan.
Auch im oberen Geschoß gab es diesen Vorraum, und von hier führten vier Türen. Deutlich sah man unter und neben einer der vier Türen Lichtschimmer.
Phil lauschte einen Augenblick. Wie in vielen alten Häusern arbeitete das Holz der Balken und Dielen, und es verging keine Sekunde, wo es nicht irgendwo knisterte oder knackte.
Phil ließ sich davon weder irritieren noch beängstigen. Er lauschte, bis er diese Geräusche deutlich von dem leichten, fast unhörbaren Summen trennen konnte, das zweifellos von der Tür herkam, hinter der Licht brannte.
Hinter dieser Tür wurde gesprochen.
Phil ging auf sie zu, klopfte und öffnete sie auch schon.
»Hallo!« sagte er, indem er über die Schwelle trat.
Phil verwünschte seinen Leichtsinn, allein hier aufzukreuzen.
Denn er blickte genau in die harten Gesichter von neun Gangstern.
***
Den ›Herrn‹, den mir die Zentrale am Broadway angekündigt hatte, sah ich schon von weitem. Er hatte mächtig eins über den Durst getrunken und winkte
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