0147 - Der Mann mit dem verbrannten Gesicht
sagte ich und stand auf. »Vielleicht sehe ich dieser Tage noch einmal nach Ihnen.«
»Das ist gar nicht nötig. Ich habe es mir überlegt. Dieses Herumsitzen und Jammern hat keinen Zweck. Ich gehe heute Abend arbeiten. Das ist das Beste.«
»Glauben Sie denn, dass Sie das können?«, fragte ich zweifelnd.
»Gewiss. Mein Chef ist so ein anständiger Kerl. Er wird Rücksicht auf mich nehmen, und ich will ihn nicht im Stich lassen. Die Stammgäste sind an mich gewöhnt, und außerdem ist Arbeit das beste Mittel gegen trübe Gedanken.«
Kurze Zeit danach ging auch Sheyla. Sie musste schließlich auch einmal wieder zu Hause nach dem Rechten sehen.
***
Kurz nach vier war ich wieder im Office. Phil war noch nicht zurückgekommen, aber es hatte jemand angerufen, ein Mann, der seinen Namen nicht nennen und mit einem der G-men, die den Fall Alfino bearbeiteten, sprechen wollte. Er hatte es sehr dringend gemacht und in Aussicht gestellt, sich nochmals zu melden. Ich machte mir keine Kopfschmerzen darüber. Derartige Telefonanrufe sind die Regel, wenn irgendein ungelöster Fall in die Zeitungen kommt. Es gibt Leute, die glauben, etwas zu wissen und sich wichtig machen wollen, andere haben einen perversen Humor und möchten uns aufs Glatteis führen.
Das gilt vor allem für Anrufer, die anonym zu bleiben wünschen.
Martha Man, die Frau des Ermordeten Gangsters, beschäftigte mich. Sie hatte diesen Lumpen geliebt, und sie liebte ihn noch. Immer mehr kam ich zu der Überzeugung, sie wisse etwas und halte das nur zurück, um den Toten zu decken. Sie wollte einfach nicht zugeben, dass er ein Gangster gewesen war. Sie liebte ihn, wie eine Mutter ihr missratenes Kind.
Um sechs Uhr kam Phil zurück.
Er schnitt ein Gesicht und schüttelte sich.
»Pfui, ist das eine Bande. Ich habe die ganze Familie abgegrast und den Herrn Anwalt dazu. Man könnte meinen, sie hätten sich verabredet. Ich habe versucht, sie in Widersprüche zu verwickeln, aber kein Glück gehabt. Sie beten immer denselben Vers herunter, und dabei hatte ich den Eindruck, dass jeder einzelne jedem der anderen zutraut, dass er keine reine Weste hat. Nick war angetrunken wie immer und bestand darauf, der tote Penner sei sein Vater. Mrs. Alfino markierte die Vornehme, was ihr nicht immer ganz gelingt, und hat offensichtlich Angst. Vor was, weiß ich nicht. Vielleicht fürchtet sie, man könne auch sie ermorden, denn sie wird wohl den größten Teil der Erbschaft schlucken, wenn erwiesen ist, dass ihr Mann tot ist. Esther machte mir schöne Augen und den unverblümten Vorschlag, wir sollen die ganze Geschichte ad acta legen, es käme ja doch nichts dabei heraus. Sie hat eine Stinkwut auf Smiton und ließ durchblicken, sie traue ihm jedes Verbrechen zu. Dann war ich bei dem Ehepaar Gentry. Ich habe also auch den Mann kennengelernt. Er ist ganz anders, als wir uns ihn vorgestellt hatten. Ich hatte ihn nach seiner eleganten Eheliebsten taxiert, aber er ist alles andere als ein Gentleman. Stelle dir einen grobschlächtigen, gewöhnlichen Kerl mit reichlich brutalem Gesicht und salopper Kleidung vor, wie man ihn gelegentlich in den Bars im unteren Manhattan trifft. Er würde dort nicht im Geringsten auffallen. Kurz, er sah aus wie ein Gangster, der sich landfein gemacht hat. Was die Frau an ihm findet, weiß ich nicht, es sei denn, sie schwärmt für handfeste Zärtlichkeit. Dabei himmelt sie ihn offenbar an. Er machte gar keinen Hehl daraus, dass er auf seine ganze Verwandtschaft verzichte, aber durchaus nicht böse sei, wenn der alte Alfino das Zeitliche gesegnet habe, und er - er sagte tatsächlich ich - einen ordentlichen Brocken Geld bekäme. Er arbeitet wirklich bei der Stadtverwaltung, und zwar bei der Wasserinspektion. Was er dort spielt, hat er nicht gesagt, aber das können wir ja erfahren.«
Wir erfuhren es sehr schnell. Mr. Gentry war durchaus kein Ingenieur, sondern eine Art Vorarbeiter in gehobener Stellung. Sein Verdienst war bescheiden, jedenfalls weniger als das Einkommen seiner Frau. Diese hatte uns also belogen, als sie sagte, sie sei auf das Geld ihres Vaters nicht angewiesen.
»Also ist er, vielleicht sogar zusammen mit seiner Frau, ein neuer potentieller Verdächtiger. Leute, die falsche Auskünfte geben, sind immer verdächtig«, meinte ich.
Phil nickte.
»Dann war ich bei Smiton. Auch der Kerl gefällt mir nicht. Er bot mir Drinks an, von denen er übrigens viel versteht und versuchte, die ganze Geschichte ins Lächerliche zu ziehen. Er bleibt
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