015 - Der Schatz des Poseidon
Antiquitätenbranche überbracht!«
»Mitte August!«, schnaubte Volpone. »Und jetzt haben wir den vierten September! Warum habe ich bis heute nichts von diesem interessanten Fund erfahren? Wenn die gute Felicitas« – abermals beugte er sich hinunter und tätschelte der Katze den Kopf – »nicht regelrecht darüber gestolpert wäre, wüsste ich immer noch nichts davon!«
Rosario schluckte. »Ich hielt es nicht für wichtig genug.«
»Nicht wichtig genug? Ihr Job ist es nicht zuletzt, dafür zu sorgen, dass ich die wichtigen Dinge erfahre und mit den unwichtigen nicht belästigt werde! Sie lassen nach! – Was ist das überhaupt für ein Metall? So etwas habe ich noch nie gesehen!«
»Vielleicht kann der Laborleiter …«
»Dann her mit ihm!«
Während Volpone über den Interkom eine Verbindung mit dem Chef des Labors herstellen ließ, stellte sich Roberto Lasso, Felicitas’ Leibveterinär, auf die Zehenspitzen und fauchte dem Privatsekretär in dessen Ohr, von dem er trotz seiner Anstrengung noch ein gutes Stück entfernt war: »Ich sage nur ein Wort: Betonschuhe!« Er stieß ein hämisches Kichern aus und Francesco Rosario, der ohnehin keinen lebhaften Teint sein Eigen nennen konnte, wurde noch eine Spur bleicher.
Zwei Minuten später trat der Laborleiter ein. Er war ein selbstsicher wirkender Mann um die Fünfzig, dessen sichtbarer Haarwuchs sich auf einen kleinen, schwarzen Ziegenbart mit grauem Einschlag beschränkte. Er hielt einen dicken Umschlag in der Hand.
»Was wissen sie darüber?«, fragte der ›Don‹ kurz und deutete auf den metallenen Gegenstand.
»Das ist, wie der erfahrene Fachmann sofort erkennt«, dozierte der Laborleiter, »ein antikes Kultobjekt.«
»Kultobjekt!«, staunte Volpone. »Für mich sieht das eher wie eine hypermoderne Waffe aus!«
Sein Gegenüber räusperte sich. »Solch eine Behauptung kann nur jemand aufstellen, der keine Ahnung von Altertumswissenschaft hat – wenn Sie mir die Bemerkung erlauben!«
»Ich erlaube nicht!« Volpones Augen blitzten den Laborleiter drohend an und zum ersten mal, seit dieser das Büro betreten hatte, verlor er etwas von seiner Selbstsicherheit.
»Woher stammt es?«, wollte der ›Don‹ wissen.
»Aus einer, hm, nicht offiziell genehmigten Grabung in Troja. Genauer ausgedrückt: Aus einem neu entdeckten Kultraum im massiven Fels unter der ältesten Siedlungsschicht von Troja, die im allgemeinen ›Troja Null‹ genannt wird!«
»Troja …«, murmelte Volpone versonnen. »Liegt das in Italien?«
Der Laborleiter unterdrückte mühsam ein Aufstöhnen. »In Kleinasien.« Nach einem Blick in das Gesicht des ›Don‹ fügte er hinzu: »Türkei, Mittelmeerküste, am Eingang zu den Dardanellen.«
»Aha. Ist das Ding damit so alt wie, sagen wir, Julius Cäsar?«
Diesmal gelang es dem Laborchef nicht, seine Fassungslosigkeit angesichts solcher Ignoranz zu verbergen. » Viel älter! Zwischen fünf- und sechstausend Jahre! Damit ist es noch etwa tausend Jahre älter als der so genannte ›Schatz des Priamos‹, den Heinrich Schliemann 1873 entdeckt hat! Der Legende nach – aber wir ernsthafte Wissenschaftler wissen ja, was wir von Legenden zu halten haben, hehehe – also, der Legende nach wurden die Mauern Trojas von Poseidon, dem Bruder des Zeus, erbaut.«
»Aha. Und was wissen Sie über die Fundumstände? Lassen Sie sich gefälligst nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!«
Der Angesprochene öffnete den mitgebrachten Umschlag und breitete seinen Inhalt vor dem ›Don‹ aus. Es handelte sich um eine Anzahl SD-Photographien und ein Schriftstück. »Das ist die komplette Funddokumentation, die uns zugegangen ist«, erläuterte er. »Das Kultobjekt befand sich in einer marmornen Vitrine, die bei der Entdeckung leider durch Barbarei zerstört wurde.« Er wies auf eines der Photos. »Immerhin hatten die Leute so viel Hirn, vorher noch Aufnahmen davon zu machen.«
Volpone warf einen desinteressierten Blick auf die Vitrine und sah dann flüchtig die anderen Photographien durch. Als ein Bild an die Reihe kam, auf dem ein steinernes Tor, geschmückt mit goldenen Sternen, zu sehen war, musterte er es ausgiebiger.
»Was ist das?«
Der Laborleiter warf einen Blick auf die Photographie. »Der, äh, Hobby-Archäologe, der die Entdeckung machte, nannte es das ›Sternentor‹ und ich muss ausnahmsweise sagen: Ein treffender Name!«
»Wohin führt es?«
»Das wissen wir nicht; er konnte es nicht öffnen.«
»Das sollte man aber
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