0152 - Der Tod aus der Urne
und den Schirmstock zur Hand nahm.
»In spätestens einer Stunde bin ich wieder zurück«, sagte er.
Die Blondine nickte und schenkte ihm ein anhimmelndes Lächeln. Sie wollte weiterkommen und dachte, dies wäre der richtige Weg.
»Ist recht, Mr. Gordon.«
»Sollte irgendein wichtiger Anruf für mich kommen…«
»Dann stelle ich zu Ihrem Autotelefon durch.«
»Ja«, sagte Gordon. »Aber nur dann, wenn es wirklich dringend ist.«
»Selbstverständlich, Mr. Gordon.«
»Schön. Also bis später.«
»Auf Wiedersehen, Mr. Gordon«, sagte die Blondine und hackte eifrig auf der Schreibmaschine weiter.
Der Verwalter fuhr mit dem Bürohauslift zur Tiefgarage hinunter und setzte sich in seinen Bentley. Bis zur Coronet Street reichte eine Fahrzeit von zehn Minuten.
Als Gordon an jener Baustelle vorbeikam, die langsam an die Coronet Street heranwuchs, verlangsamte er sein Tempo. Er blickte zu dem zwölfstöckigen Rohbau hinauf.
Dort oben wurde ebenso emsig gearbeitet wie hier unten. Bald würde es diese kleinen alten Häuser nur noch auf alten Fotografien zu sehen geben, während hier eine Superstadt aufragen würde, die sogar Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, vor Neid erblassen lassen würde.
Der Bentley rollte in die Coronet Street.
Gordon betrachtete die leerstehenden Häuser.
Welch eigenartigen Eindruck machen unbewohnte Häuser, dachte er verwundert. Sie vermitteln einem unterschwellig das Gefühl von Vergänglichkeit und Tod. Hüllen sind sie nur noch, in denen sich kein Leben mehr befindet.
Gordon trat auf die Bremse.
Der Bentley blieb vor der Goldstoneschen Familienpension stehen. Der Verwalter stieg aus seinem Wagen und rückte seine Krawatte zurecht.
Auf ihren korrekten Sitz achtete er ganz besonders. Ein prüfender Blick noch auf die sauberen Schuhe. Sie spiegelten. Gordon war mit seinem Äußeren mal wieder sehr zufrieden.
Seine Hand glitt in die Brusttasche des taillierten Nadelstreifenjacketts.
Die Finger berührten das Kündigungsschreiben, das er dem Ehepaar Goldstone zu überbringen hatte.
Mit entschlossener Miene betrat er das Haus.
Verwundert blieb er sogleich an der Tür stehen. Rechts war der Aufenthaltsraum. Er war leer.
Monoton tickte eine Pendeluhr.
Wenn er Uhren sah, verglich er sie immer mit jenem Zeitcomputer, den er an seinem Handgelenk trug. Die Pendeluhr ging nicht richtig. Fünf Minuten zu spät. Fast hatte Herb Gordon den Wunsch, diese Ungenauigkeit zu beheben. Er unterließ es dann aber, denn aus diesem Grund war er nicht hier.
»Hallo!« rief er, während er eine Runde durch den Aufenthaltsraum machte. »Ist jemand zu Hause?«
Anscheinend war niemand da.
Jedenfalls zeigte keiner Lust, Mr. Gordons Frage zu beantworten. Damit hatte der Verwalter nicht gerechnet. Das ganze Haus war leer?
Dieser Umstand verstimmte ihn ein wenig. Er hatte doch in spätestens einer Stunde wieder in seinem Büro sein wollen.
Eine Menge Arbeit war wegen dieses außertourlichen Weges liegengeblieben. Wichtige Besprechungen waren für die nächsten Stunden anberaumt. Gordons Zeit war äußerst kostbar.
Verdrossen nahm er den Hut ab.
Er legte ihn auf das Plüschsofa und lehnte den Stockschirm gegen die Armstütze. Nachdem er kurz die Frisur in Ordnung gebracht hatte, verließ er den Aufenthaltsraum.
Es war für ihn kein Geheimnis, daß Ernest Goldstone gerne zur Flasche griff. Möglicherweise hatte er die günstige Gelegenheit wahrgenommen, um sich einen anzutrinken, während seine zänkische Frau irgendwo Besorgungen machte.
Gordon klopfte an die Küchentür.
Von dort ging es weiter ins Wohnschlafzimmer des Ehepaars Goldstone; das wußte der Verwalter. Niemand antwortete auf das Klopfen.
Gordon war so frei und öffnete die Tür. In der Küche roch es nach gerösteten Zwiebeln. Im Abwasch stand eine Tasse Kaffee.
»Mr. Goldstone?« fragte Gordon. »Mrs. Goldstone?«
Niemand da, dachte er im selben Moment.
Trotzdem wollte er ganz sicher gehen, daß Goldstone nicht in seinem Bett lag und einen festen Rausch ausschlief. Behutsam öffnete er die Tür zum Wohnschlafzimmer.
Seine Beine spiegelten sich in der Mattscheibe des Fernsehapparats. Das Bett war gemacht. Goldstone lag weder darauf noch darunter.
Der Verwalter verließ achselzuckend die Räume.
Er richtete sich in Gedanken auf eine längere Wartezeit ein.
Und er überlegte, ob er nicht schnell sein Büro anrufen sollte, um seiner Sekretärin zu sagen, daß es mit seiner Rückkehr etwas länger dauern
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