0155 - Die Teufelsuhr
merkte nicht, wie ich die Tür aufstieß und neben ihr stehenblieb.
Erst als ich sie berührte, zuckte sie zusammen. Ihr Kopf flog hoch, sie sah mich, ihr Gesicht verzerrte sich und wurde zu einer Grimasse des Grauens.
»Nein!« schrie sie. »Nicht, ich will nicht!«
Ich faßte sie hart an. »Reißen Sie sich zusammen, Miss Mitchell!«
Da wurde sie zur Furie. Bevor ich es verhindern konnte, sprang sie auf und wollte mir mit allen zehn Fingern durchs Gesicht fahren.
Ihre Augen leuchteten wild, sie tobte und schrie. Ich hatte Mühe, ihre zupackenden Hände abzuwehren, und mußte zum Allheilmittel in solchen Situationen greifen.
Ich verpaßte ihr einen Schlag ins Gesicht.
Es klatschte laut, und sofort wurde die Frau ruhiger. Sie sackte wieder zusammen und schluchzte. »Ich war es doch nicht!« jammerte sie, wobei Tränen über ihre Wangen liefen. »Ich habe ihn nicht getötet. Ich war es nicht…«
Ich ließ sie in Ruhe, sah einen Aschenbecher und zündete mir eine Zigarette an. Die Frau mußte sich erst beruhigen, sonst erhielt ich keine klare Aussage. Sie stand unter einem regelrechten Schock.
Ich hatte mich auf die Lehne des Sofas gesetzt und stand jetzt auf, als ich vom Gang her Schritte hörte.
Bevor ich an der Tür war, stand Don Mitchell schon auf der Schwelle. Er schaute mich an, und er sah verdammt blaß aus. Mir ging es sicherlich nicht anders.
»Wo ist er?« fragte er mit kaum zu verstehender Stimme.
»Ich habe ihn in ein anderes Zimmer gelegt.« Er nickte. Dann blickte er auf seine Schwester. »Hat sie ihn ermordet?«
»Keine Ahnung.«
»Sonst war doch niemand oben.«
»Das stimmt.«
»Dann – dann kommt nur sie als Täterin in Frage.« Er lachte schrill. »Ich rede wie ein Polizist, nicht wahr? Ist das auch Ihre Meinung, Sinclair?«
»Nicht unbedingt.«
»Sie haben eine andere Erklärung?«
»Nein, doch ich würde vorschlagen, daß wir zuerst einmal Ihre Schwester reden lassen, wenn sie wieder zu sich gekommen ist.«
»Ja, natürlich.«
Ich drückte die Zigarette aus. Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn ich mich mit Marion hätte allein unterhalten können, aber ich konnte Don in seinem eigenen Haus ja schlecht wegschicken. Marion hob den Kopf. Sie sah ihren Bruder, der auf sie zueilte und sie umarmte.
»Don!« flüsterte sie. »Bitte, Don, ich war es nicht. Du mußt mir glauben.«
»Ich glaube dir ja.«
»O mein Gott, ich weiß nicht, was ich machen soll. Es – es war so schrecklich.«
»Sind Sie in der Lage, uns den Vorgang zu erklären?« erkundigte ich mich vorsichtig.
»Kaum. Sie sehen doch, wie es ihr geht.« Die Antwort gab Don Mitchell.
»Ich hatte Ihre Schwester gefragt.«
»Was wollen Sie wissen?« fragte sie, ohne mich dabei anzusehen.
»Wenn Sie sagen, daß Sie es nicht waren, dann muß es einen anderen Täter geben, Miss Mitchell. Und vielleicht haben Sie ihn sogar gesehen. Sie wären also eine wichtige Zeugin.«
»Natürlich, das habe ich.« Jetzt wurde es interessant. Stockend begann sie zu erzählen. »Ich – ich kam mit meinem Kleid nicht zurecht, und Freddy wollte mir helfen. Er kam auch hoch, und ich, nun ja, ich freute mich auf ihn. Wir waren mal zusammengewesen. Er nahm mich in die Arme, küßte mich und stand dabei mit dem Rücken zur Tür. Ich konnte auf die Tür schauen. Und da – da – tauchte diese Gestalt auf.«
»Welche Gestalt?«
»Sie war klein. Wie ein Kind. Aber sie – sie hatte ein Messer. Ich sah sie, auch ihr Gesicht, das wie die Fratze des Teufels aussah, und schrie. Freddy ließ mich los. Er drehte sich um. Da schleuderte die kleine Gestalt das Messer…« Marions Stimme versagte und endete in einem Schluchzen.
Don Mitchell starrte mich an. »Das reicht ja wohl, Mr. Sinclair. Oder meinen Sie nicht?«
Ich nickte. »Fast, Mr. Mitchell.«
Das Mädchen erzählte weiter. »Ich sah ihn fallen, hörte, wie die Gestalt lachte und dann verschwand. Anschließend schrie ich nur noch, weil alles so schrecklich war.«
»Sie haben diesen Raum nicht verlassen?« fragte ich.
»Nein.«
»Dann wissen Sie auch nicht, wo die Gestalt hingelaufen ist?« Sie nickte.
Ich blickte Don Mitchell an. »Haben Sie vielleicht eine Erklärung für die seltsamen Vorgänge?«
»Keine.«
»Und Sie bringen diese Geschichten, die man sich über das Haus erzählt, nicht in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Mord?«
»Ich weiß nicht so recht.«
»Aber über die Geschichten sind Sie informiert?«
»Gewiß.«
»Ihnen ist nichts aufgefallen? Ich meine,
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