0156 - Perlen, Gangster, Menschenhaie
die beiden großen, ausdruckslosen, dunklen Augen des Kraken wie zwei kleine Hügel aus der Masse des Schädels herausragen. Aber jetzt sah ich auch die anderen Taucher. Drei Mann hielt der Kopffüßler mit seinen Fangarmen fest, als ob sie Kinderspielzeuge wären. Nur einer von ihnen regte sich noch.
Man musste dem Tier beikommen können. Es gibt kein Lebewesen, das unsterblich ist. Ich fasste das Messer fester und trieb mich gerade darauf zu. Solange es drei Männer festhielt, waren jedenfalls einige Fangarme weniger für mich da.
Schon erwischte mich der erste. Die Saugnäpfe brannten auf meiner nackten Wade, als wollten sie mir das Fleisch zollweise herausreißen. Ich rannte mein Messer ein paar Mal in blinder Wut in den Fangarm hinein.
Der Krake wurde wild. Seine Kraft wirbelte mich durch das Wasser, dass es mir in den Ohren wie ein Wasserfall rauschte. Sand wurde vom Grund aufgewirbelt und für ein paar Sekunden war ich fast blind.
Zum Teufel, wo blieben die anderen? Sollte ich denn ganz allein mit diesem Ungeheuer fertig werden?
Ich hieb das Messer immer und immer wieder in den Arm, der sich ekelhaft glitschig, kalt und mit unbändiger Gewalt um mein linkes Bein ringelte.
Je mehr Stiche ich dem Untier beibrachte, umso wilder peitschten seine Fangarme durch das Wasser. Immer mehr Sand wurde aufgewirbelt, Muscheln und allerlei Kleingetier wurde hochgeschleudert und trübte die Sicht. Schon war es fast dunkel um mich her, da stand plötzlich dicht vor mir, unheimlich in seiner dunklen Größe, kalt und unbeschreiblich ausdruckslos, ein Auge des Kraken. Ich dachte mit dem letzten Rest meines schwindenden Verstandes an den Hai, den ich ebenfalls durch das Auge getötet hatte, und ich trieb das Messer mit der letzten Kraft, die mir noch zu Gebote stand, bis ans Heft in diese gefühllose, gallertartige, glotzende Masse hinein.
Jetzt brach die Hölle los. Zwei, drei Fangarme schlugen wie urmächtige Peitschen um meinen Körper. Ich glaubte, mir würden sämtliche Knochen gebrochen. Ich wirbelte kopfüber, kopfunter und kreuz und quer durch den aufgerührten Sand, wurde ein, zwei Meter über den sandigen Boden geschleift und von den wild zuckenden Armen wieder emporgeschleudert, während die Saugnäpfe auf meiner Haut brannten und in meinen Lungen die Atemnot von Sekunde zu Sekunde ärger stach.
Ich hackte nur noch aus reinem Instinkt mit dem Messer auf die Fangarme ein, aber das Biest hielt mich mit der Kraft eines Riesen umklammert. Urplötzlich aber tauchte ein Menschenarm vor mir auf. Ein Messer blitzte und grub sich in den Arm, der mir über der Brust lag und alle Rippen zu zerquetschen drohte.
Noch einmal, halb irrsinnig vor Schmerzen und Atemnot, hämmerte ich mit meinem Messer in denselben Arm hinein, dann wurde es rot vor meinen Augen. Ich konnte es einfach nicht länger aushalten und rang nach Luft. Natürlich kam nur Wasser in meine gequälten Lungen, ich hustete, in meinem Kopf erfolgte eine grelle Explosion, und dann war es vorbei. Endlich vorbei mit der Qual.
***
Das erste, was mein Gehirn registrierte, war die Tatsache, dass mein Magen sich umdrehen musste. Ich fühlte mich so schreiend übel, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Auf der ganzen Haut meines Körpers spürte ich eine glitschige, kalte, ekelerregende Berührung.
Ohne irgendetwas sonst zu wissen, wälzte ich mich auf die andere Seite und übergab mich. Die widerlichste Viertelstunde meines Lebens folgte. Immer wieder signalisierte mein Gehirn eine kalte, glitschige Berührung, die meinen Ekel so hochtrieb, dass sich meine Eingeweide in Krämpfen schüttelten.
Ich weiß nicht, wie lange das so ging. Aber plötzlich packte jemand meinen Kopf, zog ihn hoch und schob mir etwas zwischen die Lippen. Etwas Heißes floss durch meine Kehle und brannte in den Eingeweiden. Es war Whisky, aber selbst das erkannte ich erst später.
Die Nebel in meinem Gehirn wurden wieder dichter, aber mein Magen besänftigte sich allmählich.
Als ich das nächste Mal zu mir kam, spürte ich, dass ich in der Sonne lag. Ich drehte den Kopf unwillkürlich zur Seite weg und öffnete die Augen.
Braune Gesichter und Körper umgaben mich. Dunkle Augen blickten mich ernst und doch freundlich an. Ich würgte, und dann war plötzlich eine Stimme da, die ich kannte.
»Hallo, alter Junge«, sagte jemand.
Ich schloss die Augen und dachte nach, woher ich diese Stimme kannte. Ganz langsam dämmerte es mir, dass es Phil sein musste.
Ich versuchte, mich aufzurichten.
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