0158 - Der Spiegel-Dämon
Erkenntnisse bringen will und euer Innerstes umkehrt.«
Die ersten Lacher ertönten. Das war immer so, und Morris ging auch darauf ein.
Er hob die Hand und drohte mit dem Zeigefinger. »Ihr solltet nicht spotten, denn der Spiegel ist das einzig Wahre in der Welt. Ihn kann man nicht betrügen!«
»Aber einwerfen!« schrie jemand.
Morris streckte den Arm aus. »Dann zerstörst du ein Stück deiner Seele, die in jedem Spiegel, in den ihr schaut, gefangen ist. Na, wie ist es? Traut ihr euch? Könnt ihr eure Angst über Bord werfen und die Blicke riskieren? Ich glaube kaum, wenn ich euch so ansehe. Nein, ihr habt Angst, das merke ich - oder sollte ich mich getäuscht haben?« Morris legte eine Kunstpause ein.
Einige lachten. Andere wußten nicht so recht, wo sie hinschauen sollten, nur eine junge blondhaarige Frau lächelte spöttisch, obwohl ihre Augen sehr ernst blickten.
Diese Frau war keine geringere als Jane Collins!
***
Die Detektivin hatte es rächt mehr ausgehalten. Obwohl der eigene Fall lukrativ war, ging ihr der Selbstmord nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte sich in eine kleine Cafeteria gesetzt und darüber gegrübelt. Immer wieder vergegenwärtigte sie sich die Szene, und sie dachte vor allen Dingen über die Gründe von Selbstmördern nach.
Ja, warum brachte man sich eigentlich um?
Zumeist aus Not und Verzweiflung. Wenn man keinen Ausweg mehr sah und nicht mehr weiter wußte.
Dann verübte man Selbstmord. Aber nicht auf eine solch spektakuläre Art und Weise.
Deshalb das Mißtrauen der Detektivin.
Jane war in die Wohnung des Mannes gefahren. Dort traf sie auf die Polizei, die angeblich nichts bei der Durchsuchung der beiden Zimmer gefunden hatte.
Auch die Hausbewohner schwiegen. Sie preßten die Lippen zusammen und schauten die Polizisten nicht an. Uniformierte waren hier nicht sonderlich beliebt.
Wenn die Leute etwas gewußt hätten, den Männern hätten sie es sicherlich nicht gesagt.
Bei Jane war das etwas anderes. Erstens war sie eine Frau eine hübsche noch dazu -, und durch ihr gewinnendes Auftreten nahm sie vor allen Dingen den Kindern die Scheu. Als dann noch einige Münzen hinzukamen, redeten die Kleinen.
Jane Collins erfuhr nicht viel. Keiner hatte gewußt, was der Tote früher beruflich machte, aber Jane hörte von Mirror-Man.
Dort hatte man Lidell ein paarmal gesehen.
»Mirror-Man, wer ist das?« hatte Jane gefragt.
Da leuchteten die Augen der Kinder auf. Begeistert berichteten sie von den geheimnisvollen Spiegeln, in denen man sich nicht nur selbst sah, sondern auch ganz andere Dinge.
»Das ist ja interessant«, hatte Jane bemerkt und war gegangen.
Der Mirror-Man ging ihr nicht aus dem Kopf. Ein paarmal war der Tote zu seinen Lebzeiten dagewesen. Was hatte diesen Ernie Lidell zu dieser Schaubude getrieben?
Jane Collins wollte es herausfinden, und als Mirror-Man seine Schau eröffnete, befand sie sich in der ersten Reihe der Zuschauer.
Die Detektivin hörte sich die Weisheiten des Mannes an. Die Lebenserfahrung, die er weitergab, war eine Mischung aus Werbung und Vorurteilen.
»Sie glauben mir nicht?« rief er und drehte theatralisch seinen Körper. »Es ist eine Schande, wie wenig mir geglaubt wird. Dabei wollt ihr so modern sein. Seht in die Spiegel, da erkennt ihr euer Antlitz, und nicht nur das, meine Spiegel zeigen noch etwas anderes. Die geben Gefühle wieder, sie machen Ihre Seele transparent, meine Herrschaften. So glauben Sie mir endlich.«
Dieser Mirror-Man hatte eine Art, die Leute in ihren Bann zog. Er verstand es, die Zuhörer einzuwickeln und ihnen sein Spiegelkabinett schmackhaft zu machen.
Und sein Blick ließ Jane Collins nicht los. »Sie«, sagte er. »Sie, mit den blonden Haaren, die so skeptisch schauen, Sie sollten sich als erste überzeugen und den anderen ein Beispiel geben. Wollen Sie nicht den Anfang machen und mein Kabinett betreten?«
»Ich warte noch«, sagte Jane.
»Warum?«
»Weil ich Sie in Ihrer Rede nicht unterbrechen will. Ich finde es interessant, was Sie so sagen.«
»So reden keine normalen Besucher, Miß.«
Jane ging ein paar Schritte vor. »Vielleicht nicht, aber ich möchte mit Ihnen sprechen.«
»Vorher oder nachher?«
Einige lachten, weil sie die Antwort zweideutig verstanden.
»Vorher, mein Lieber.«
»Dann warten Sie, bis ich kassiert habe.« Dave Morris stellte sich wieder aufrecht hin und winkte mit der linken Hand. »Und nun, meine Herrschaften, tun Sie sich bitte keinen Zwang an. Kommen Sie zu mir, gehen Sie
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