0158 - Der Spiegel-Dämon
euch nicht mehr in Ruhe lassen, Sheila.«
»Das befürchte ich auch. Und Flucht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist keine Lösung. Wo willst du hin? Du kannst dich überall auf der Welt verkriechen, die andere Seite würde dich finden. Sheila, das sind keine Gangster, sondern Dämonen. Daran solltest du immer denken.«
Sie nickte. »Du hast ja recht, John. Entschuldige.«
»Das brauchst du nicht. Denk nur immer daran, daß Johnny, du und Bill sich völlig auf mich verlassen können. Klar?«
»Geht in Ordnung.«
Ich wollte weg und verabschiedete mich von dem Kleinen. Er war völlig harmlos, und nichts wies darauf hin, daß er einmal eine kleine Bestie gewesen war.
Sheila versuchte inzwischen, ihren Mann zu erreichen, doch sie bekam keinen Kontakt, da sie nicht wußte, wo er sich genau befand. Ich nahm die Sache für sie in die Hand.
Es kostete mich nur einen Telefonanruf bei der River-Police. Die Kollegen würden Bill ausfindig machen und ihm Bescheid geben. Ich aber fuhr an. Auf diesen Mirror-Man war ich schon sehr gespannt…
***
MIRROR—MAN!
In sehr großen Buchstaben stand der Name an der Vorderseite des breiten Wagens.
Die Buchstaben waren aus Spiegelscherben geformt und reflektierten das Licht zahlreicher bunter Birnen, die hinter der Schrift aufstrahlten.
Der Wagen befand sich auf einem kleinen Platz, auf dem einige Tage zuvor ein Zirkus sein Winterquartier abgebrochen hatte und weiter gezogen war. Mirror-Man war geblieben.
Und er machte seine Geschäfte.
Denn noch hatten die großen Unternehmen Winterpause. Es gab keinen Jahrmarkt im Freien, keine großen Feste und Festivitäten, und die Weihnachtsmärkte waren ebenfalls in Vergessenheit geraten. Die Menschen sehnten sich nach dem Frühling und dem Sommer mit all ihren Begleiterscheinungen, wozu auch die Jahrmärkte gehörten.
Mirror-Man hatte die Chance erkannt und genutzt. Er war mit seinem Wagen in London eingetroffen und man hatte ihn auf diesen Platz hier verwiesen.
Es war keine schöne Ecke. Aber hier wohnten Menschen. Einfache Menschen, die für eine Abwechslung sehr zu haben waren. Sie strömten in Scharen zu Mirror-Man, kamen mit ihren Kindern, um die einmalige Spiegelschau zu erleben.
Mirror-Man besaß einen Spezialwagen. Fahrzeug und Schaubude in einem. Der Wagen hatte eine Menge Geld gekostet, doch durch einen hohen Gewinn im Fußballtoto hatte Mirror-Man ihn von seinem Vorgänger erwerben können.
Unter einer Bedingung allerdings. Er mußte den Gehilfen übernehmen. Mirror-Man, der in Wirklichkeit Dave Morris hieß, hatte zugestimmt. Noch heute sah er das wissende und auch geheimnisvolle Lächeln des Alten, als er den Vertrag unterschrieb. Und dann hatte er zum erstenmal seinen Gehilfen gesehen.
Es war ein Zwerg.
Kein Verwachsener, nein, ein richtiger Zwerg, ein Liliputaner hätte man sagen können, aber als das fühlte sich der Gehilfe auch nicht. Er bestand darauf, ein Zwerg zu sein.
Morris hatte nichts dagegen, und er ließ ihm den Willen.
Gegen Nachmittag öffnete er seine Schau. Weil sich der Zwerg tagsüber draußen nicht sehen ließ, klappte Dave die Läden allein hoch. Die Kasse wurde sichtbar und ebenso die kleine Bühne, deren Rückseite von einem Spiegel eingenommen wurde. Er war etwas gebogen, und seine Fläche war durch hauchdünne Einschnitte in zahlreiche Teile aufgesplittert. Wer in den Spiegel schaute, und das waren praktisch alle, die vor dem Wagen standen, sah sich verzerrt, bis zur Unkenntlichkeit verändert.
An diesem Tag war Dave Morris sauer. Er warf einen prüfenden Blick zum Himmel hoch, sah die Wolken und überlegte, ob er überhaupt öffnen sollte. Wenn es anfing zu regnen, kam kein Mensch.
Er entschied sich zu öffnen, klappte wie gesagt die Läden hoch und schloß auch die Tür auf, die ins Innere des geheimnisvollen Spiegelkabinetts führte.
Als er sie aufdrückte, zischte ihm jemand ein paar Worte zu. Das war der Zwerg.
»Laß sie noch zu!«
Die Worte waren so haßerfüllt und hart ausgestoßen, daß Dave Morris zurückzuckte. »Ja, ja«, sagte er nur.
Wieder einmal machte er sich Vorwürfe, den Zwerg mit übernommen zu haben. Er hätte ihn gern zum Teufel geschickt, aber das war ihm nicht möglich. Dieser kleine Mensch beherrschte ihn. Er machte mit Morris, was er wollte, und Dave kam einfach nicht dagegen an. In letzter Zeit war es besonders schlimm geworden. Da träumte er sogar noch von dem kleinen Widerling.
Und es waren furchtbare Träume.
Er sah sich auf einem Holzbrett
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