0158 - Wenn die Wolkenkratzer wackeln
ihre Positionen durchgaben.
Ich hatte nicht mehr weit zu fahren, bis ich zu dem Saalbau kam. Dort parkte ich meinen Wagen so, daß ich ihn vom Ausgang her ohne großen Zeitverlust erreichen konnte. Glücklicherweise fand ich eine Lücke, die gerade frei geworden war. Ehe ich mein Funkgerät in der Aktentasche verpackte, rief ich noch einmal die Zentrale.
»Hallo, Zentrale… Cotton meldet sich am Einsatzort ab.«
»Verstanden. Wir bleiben empfangsbereit, ebenso alle Wagen.«
»Neue Meldungen?«
»Die Abteilungen…«
»Habe mitgehört, danke. Wie steht’s mit Cobny?«
Eine Weile war nur das Summen und Rauschen im Gerät, dann kam die Stimme des Sprechers, und durch ihren unpersönlichen Tonfall hindurch bemerkte ich so etwas wie Mißvergnügen: »Überwachung Cobny meldet, daß die Verfolgung abgerissen ist. Cobny hat seinen Wagen in einer engen Gasse abgestellt und damit den Verkehr dort blockiert, ist dann zu Fuß weitergegangen und verschwunden.«
Mich störte das nicht besonders. »Ungefähre Richtung?«
Wieder schwieg der Apparat. Offenbar mußte die Zentrale erst zurückfragen.
»Hören Sie noch?«
»Ja, natürlich.«
»Möglicherweise Richtung Ihres Einsatzortes.«
»Schön. Dann wird er ja bald hier auftauchen. Ende.«
»Ende«, kam es von der Zentrale.
Ich packte das Gerät weg. In dem Moment, da ich den Lautsprecher abschaltete, kam gerade der Tonruf, aber ich hatte keine Zeit mehr, den Ruf abzuhören. Vielleicht meldete sich irgendeine Abteilung, die mich im Augenblick nichts anging — drüben wurde jedenfalls gerade die Saaltür geöffnet, und allerhand ‘ Leute gingen hinein. Ich packte die schwere Aktentasche, prüfte noch einmal den Sitz meiner Nylonmaske und ging dann die wenigen Schritte über die Straße.
Der Eingang wurde nicht kontrolliert. Auf einem ziemlich primitiven, handgemalten Plakat war das Thema des Vortrages angekündigt. Veranstalter war eine unbekannte Gesellschaft für politische Staatsbürgerbildung oder so ähnlich, ich habe es vergessen.
Phil hatte sich schon in eine der letzten Reihen gesetzt, und ich nahm in geringer Entfernung von ihm Platz. Wenn man eine Versammlung beobachten will, muß man sich in die letzte Reihe setzen. Dann hat man den Rücken frei und alles, was geschehen kann, vor sich. In diesem Fall war unser Platz ein bißchen ungünstig, weil der Eingang ungefähr in Höhe des Rednerpodiums lag.
Der Saal füllte sich allmählich, und ich sah einige bekannte Gesichter von der Phi-B.eta-Verbindung auf tauchen. Vor Befriedigung hätte ich beinahe gegrinst, aber dann fiel mir noch rechtzeitig ein, daß man so etwas unter der Nylonmaske besser läßt.
Phils Blick schweifte gleichgültig über mich hinweg. Er kannte die Phi-Beta-Leute natürlich nicht, aber es hatte auch keinen Zweck, ihn zu verständigen. Wenn es losging, würde er sowieso schon sehen, wer hier zum. Tanz aüfspielte.
Die Gespräche wurden plötzlich leiser. Ein Mann mittleren Alters trat auf das Podium und es begann offenbar die Begrüßung, von der wir glücklicherweise kein Wort verstanden. Ich wartete noch ab, bis der Hauptredner mit einem umfangreichen Manuskript aufgetreten war. Leider hatte ich ihn noch nie gesehen.
Und dann plätscherte ein völlig ausdrucksloser und uninteressanter Vortrag an meinen Ohren vorüber…
***
Was zur gleichen Zeit in einem anderen Bezirk der City passierte, haben wir erst später erfahren. Glücklicherweise liegen die Zeugenaussagen jedoch so lückenlos vor, daß ich Ihnen alles berichten kann.
Während ich mich in meinem politischen Vortrag langweilte, ging ein junger Mann durch die Seitenstraßen des unteren Bronx. Hier war alles finster, denn hohe Häuserfronten von Fabriken und Lagerhäusern verhinderten sogar, daß -der Widerschein des hellen Himmels über New York auf die Straße fiel und sie wenigstens etwas erhellte. Nur in großen Abständen brannten trübe Laternen, von denen auch nur jede dritte funktionierte. Die anderen hatten die Jungen dieses Viertels längst eingeworfen oder entzweigeschossen.
Der Junge hatte es offensichtlich eilig, aber gleichzeitig war er wohl auch darum besorgt, nicht gesehen zu werden. Er drückte sich in die tiefen Schatten und überquerte die Nebenstraßen mit ein paar langen Sätzen, wenn das Motorengeräusch eines Wagens in der Nähe zu hören war.
Endlich schien er gefunden zu haben, was er suchte. Für einen Augenblick leuchtete das Flämmchen eines Feuerzeuges auf und beschien das verwaschene
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