0158 - Wenn die Wolkenkratzer wackeln
vernehmungsfähig. Der Juwelier erholt sich, kann aber angeblich nichts aussagen.«
Wir unterschrieben unsere Abrechnungszettel in der Kantine und fuhren hinunter. Es war gegen sieben Uhr abends, und es wurde für mich Zeit, mit der Maskerade zu beginnen. Inzwischen hatte ich mich entschieden, wie ich auftreten wollte.
Unter den Händen unseres Verwandlungskünstlers bekam ich ein anderes Gesicht — eine hauchdünne, eingefärbte Nylonmaske, das Neueste auf diesem Gebiet. Sie war an gewissen Stellen unmerklich verstärkt und veränderte so den Gesamteindruck des Gesichts, ohne daß man eigentlich den Grund dafür feststellen konnte. Ich mußte ein paar Haare lassen und bekam die restlichen anders getönt. Damit war die Maske schon fertig, nach dem alten, bewährten Grundsatz: so einfach und so wenig wie möglich, ist das sicherste. Falsche Bärte und all’ der faule Zauber aus der Mottenkiste ist viel zu unsicher und auffällig. Auch Brillen sind für den geübten Betrachter keine gute Tarnung mehr. Was Schminke und dergleichen betrifft, so muß die Maske schon sehr gut gemacht sein, wenn sie sich nicht unvermutet auflösen soll.
Ich nahm mir noch ein paar andere Kleidungsstücke aus dem Vorrat und zog sie über. Dann fuhr ich hinauf zum Chef, wo Phil schon wartete. Mr. High musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen und sagte:
»Bitte — wie kommt der Mann hier herein? Wer sind Sie?«
Er sagte es mit todernstem Gesicht. Natürlich wußte er sehr wohl, wer unter der Maske steckte, aber das war eine seiner freundlichen Gesten, die einem vor dem Einsatz die Spannung nehmen und das Selbstvertrauen stärken.
»Die Aktentaschen mit den Funkgeräten sind schon in den Wagen verstaut. Jeder von uns fährt einen eigenen Wagen ohne Polizeikennzeichen«, sagte Phil.
Mr. High nickte uns zu:
»Alles Gute, Jungens! Ihr wißt, daß ich heute nacht auf Welle 4 mithöre. Und — viel Glück!«
Er brachte uns noch bis zur Tür.
***
Eine ganze Strecke fuhr ich hinter den roten Schlußlichtern Phils her. Dann änderte ich, wie verabredet, die Richtung und steuerte meinen eigenen Kurs durch die Stadt, deren abendliches Leben zu pulsieren begann. Es war die Stunde, da sich endlose Fahrzeugströme zu den Vergnügungsvierteln schieben, da alle Parkplätze besetzt sind und die Lichtreklamen ihren Farbenspuk in voller Stärke entfesseln.
Ich hatte noch Zeit genug und rollte deshalb langsam durch den dichten Verkehr, blickte manchmal nach rechts und links und malte mir aus, wie wir diesen Betrieb hätten überwachen sollen — tausend Stätten, wo das Publikum empfänglich war für jede Art von Begeisterung, Tausende von Möglichkeiten, die geballten Leidenschaften einer Menschenmasse anzufachen und für so scheußliche Zwecke auszunutzen…
Dann beschlich mich wieder das Mißtrauen. War der anonyme Anruf nicht etwa eine Finte? Sollten wir dadurch weggelockt werden, damit an anderer Stelle um so ungestörter fortgesetzt werden konnte, was in den vergangenen Nächten begonnen hatte?
Ich langte im Fahren hinüber und stellte das Funkgerät an. Die Batterien reichten für mehrere Stunden, und ich hatte nichts zu befürchten. Die richtige Welle war fest eingestellt, und aus dem kleinen Lautsprecher kam stetiges Rauschen, vom Tüüt-Tüt-Tüt des automatischen Tonrufs regelmäßig unterbrochen. Versuchsweise drückte ich mit der rechten Hand die Ruftaste, während ich meinen Wagen langsam weiterrollen ließ, und sofort meldete sich die Zentrale.
Wir hattep für diese Nacht und auf dieser Welle verzichtet, die Tarnwörter zu benutzen. Daher meldete ich mich:
»Cotton auf dem Weg zum Einsatz- . ort. Frage: Neue Meldungen von der Überwachung Cobny?«
»Bleiben Sie empfangsbereit, ich sehe nach…« kam es von der Zentrale, und nach überraschend kurzer Zeit: »Überwachung Cobny meldet, daß Cobny vor zehn Minuten das Haus in einem alten Ford verlassen hat. Fährt Rich tung City. Brauchen Sie Kennzeichen und Beschreibung?«
»Nicht nötig, danke. Rufen Sie mich bis 20.00 Uhr direkt, wenn neue Meldungen eintreffen!«
»Verstanden, Ende.«
Cobny war also, wenn mich nicht alles täuschte, auch auf dem Weg ins Vergnügen. Es würde allerdings ein Vergnügen eigener Art werden…
Im Funkgerät meldete sich jetzt mein Freund Phil, der den Einsatzort erreicht hatte, und den direkten Funkverkehr aufgab, um nicht mit seiner Aktentasche aufzufallen. Dann kamen nacheinander die Meldungen der Abteilungen, die auf dem Anmarsch waren und
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